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- Sachrechtsbereinigung
Streit um Geh-, Fahr- und Leitungsrecht
Gemäß § 118 Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) kann derjenige, der ein Grundstück nutzt oder auf diesem Grundstück eine Anlage unterhält (Mitbenutzer), vom Eigentümer die Bestellung einer Grunddienstbarkeit verlangen, wenn a) die Nutzung vor dem Ablauf des 2. Oktober 1990 begründet wurde, b) die Nutzung des Grundstücks für die Erschließung oder Entsorgung eines eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderlich ist und c) ein Mitbenutzungsrecht nach den §§ 321 und 322 ZGB nicht begründet wurde.
Vor dem Landgericht Berlin und dem Kammergericht war folgender Streitfall zu entscheiden:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn, und die Kläger begehren von den Beklagten die Einräumung eines Geh-, Fahr- und Leitungsrechts nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Die Kläger sind Eigentümer des herrschenden Grundstücks in einer Kleingartenanlage. Die Beklagten haben das dienende Grundstück käuflich erworben und es nach dem Erwerb eingezäunt, so dass die Benutzung des Weges im bisherigen Umfang für die Kläger nicht mehr möglich war. Der Weg auf dem Nachbargrundstück der Beklagten wurde seit 1980 vor allem zur Belieferung des Grundstücks mit Kohle bzw. seit 1996 mit Flüssiggas sowie zur Abfuhr der Fäkalien genutzt.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sind der Auffassung, dass ein Anspruch nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht in Betracht käme, da das Grundstück der Kläger im Zusammenhang mit dem Kauf erst 1998 durch Teilung entstanden und dadurch von der öffentlichen Straße abgeschnitten worden sei. Das vorher ungeteilte Grundstück, zu dem die Parzelle der Kläger gehöre, sei mit der öffentlichen Straße verbunden gewesen.
Im Übrigen haben die Kläger nach Auffassung der Beklagten das Grundstück zu Unrecht nach der Sachenrechtsbereinigung im Jahre 1996 erworben. Vor allem sei einzuwenden, dass die Kläger am 3. Oktober 1990 lediglich Mieter bzw. Nutzer des Grundstücks waren und nicht Eigentümer. Es handele sich um ein kleingärtnerisch genutztes Grundstück, auf das das Sachenrechtsbereinigungsgesetz grundsätzlich nicht angewendet werden könne. Im Übrigen sei ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht nicht erforderlich, da ein Gehweg zum Grundstück führe.
Das Landgericht Berlin hat die Eintragung einer unentgeltlichen Grunddienstbarkeit zum Befahren mit Pkw und Lkw zur Versorgung des herrschenden Grundstücks, seiner Entsorgung von Fäkalien und Abwasser sowie für Notdienstfahrzeuge bejaht. Im übrigen wurde die Klage bezüglich des Geh- und Leitungsrechts abgewiesen.
Das Landgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass das Sachenrechtsbereinigungsgesetz auch für Grundstücke anzuwenden ist, die in einer Kleingartenanlage liegen. Damit hat sich das Landgericht insoweit entgegen früherer Meinung der Auffassung des Kammergerichts Berlin und des Bundesgerichtshofes (BGH) angeschlossen, nach der sogar Ansprüche auf Ankauf oder Bestellung eines Erbbaurechts innerhalb einer Kleingartenanlage gegeben seien können.
Nach Auffassung des Gerichts ist es auch unerheblich, ob den Klägern die von ihnen genutzte Parzelle zu Wohnzwecken zugewiesen wurde oder ob sie sie zu Wohnzwecken genutzt haben. Gemäß § 2 Nr. 1 SachenRBerG sind zwar vertragliche Nutzungsverhältnisse zur kleingärtnerischen Nutzung gem. § 312 ZGB von der Sachenrechtsbereinigung grundsätzlich ausgeschlossen, wobei es jedoch ausreicht, dass vor Ablauf des 2. Oktober 1990 eine Nutzung zu Wohnzwecken tatsächlich stattgefunden hat.
Diese Einschränkung des gesetzlichen Anwendungsbereichs durch die zitierte Regelung gilt jedoch nicht für § 116 SachenRBerG. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 116 Nr. 2 SachenRBerG, dass diese Vorschrift nicht auf bestimmte Bauwerke oder Grundstücke gerichtet ist. Voraussetzung ist vielmehr allein, dass die Nutzung des fremden Grundstücks für die Erschließung oder Entsorgung des eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderlich sein muss.
Dies kann aber auch bei kleingärtnerischer Nutzung gegeben sein. Folglich hat das Landgericht die Voraussetzungen der Anwendung des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, § 116 - Bestellung einer Dienstbarkeit zum Befahren des Grundstücks - ausdrücklich bejaht. Die Kläger hatten unter Beweis gestellt, dass die Benutzung vor dem 3. Oktober 1990 erfolgt war und dass diese auch heute noch erforderlich ist.
Die Einwendungen nach § 117 SachenRBerG konnten die Beklagten nach Auffassung des Gerichts nicht wirksam erheben. Sie können nicht verlangen, dass die bisher über den strittigen Weg verlaufende Ver- und Entsorgung und Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen über den Fußweg erfolgt. Die Verlegung kann nur dann verlangt werden, wenn diese möglich ist und keinen unverhältnismäßigen Aufwand verursacht. Dies war im konkreten Fall jedoch nicht gegeben.
Das Landgericht hat die Forderung nach einem Entgelt der Beklagten abgelehnt, da nach Auffassung des Landgerichts die Beklagten zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht hatten, dass die Nutzung des Grundstücks durch die Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger gebilligt worden ist.
Das Geh- und Leitungsrecht wurde vom Landgericht mangels Erforderlichkeit abgewiesen. Eine Erforderlichkeit bezüglich des Gehrechts sei nicht gegeben, da ein Gehweg an das Grundstück heranführt.
Das Leitungsrecht wurde mit der Begründung abgelehnt, dass auf dem Grundstück der Beklagten vor dem Beitritt keine zum Grundstück der Kläger führende Leitung verlegt worden ist. Dies erfolgte in der Tat erst danach.
Gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. November 2000 (Az. 36.0.104/00) legten die Beklagten Berufung ein. Das Kammergericht (Az. 17.U.14/01) vertrat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung, dass die Entscheidung des Landgerichts Berlin nicht zu beanstanden sei, bezüglich der unentgeltlichen Überlassung bestünden jedoch Bedenken.
Auf Grund dieser Hinweise schlossen die Parteien vor dem Kammergericht einen umfassenden Vergleich mit folgendem Inhalt:
1. Entsprechend dem Urteil des Landgerichts wurde die Zustimmung zur Eintragung der Grunddienstbarkeit bezüglich des Fahrrechts vereinbart.
2. Die Kläger verpflichteten sich zur Zahlung eines jährlichen Nutzensentgelts. Dem legten die Parteien den Wert des dienenden Grundstücks entsprechend dem Bodenrichtwert zugrunde. Es ist bei einer entsprechenden Erhöhung des Bodenrichtwertes zu steigern.
3. Die Beklagten verpflichteten sich, die enge Tordurchfahrt auf vier Meter zu erweitern, damit die Pkw und Lkw, wie vereinbart, das Grundstück befahren können.
4. Es wurde festgelegt, dass die Verkehrssicherungspflicht bei den Nutzern (den Klägern) liegt.
5. Die Grunddienstbarkeit ist für den Fall, dass die Benutzung des Weges nic...
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