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Schule bisher demokratiefreier Raum

Landesschülerkonferenz fordert mehr Mitbestimmung und offenere Strukturen

  • Lesedauer: 3 Min.

Schüler müssen sich eigene Spielregeln geben, wenn sie an den Schulen mitmischen wollen. Und dürfen dabei Mittel wie Urabstimmungen und Streik nicht scheuen: Das war eines der zentralen Ergebnisse der Landesschülerkonferenz, zu der am Freitag mehr als 120 Schüler aus Ost- und Westberlin zusammengekommen waren. Vielleicht der Startschuß für eine neue Schülerbewegung, hoffen die Vertreter des Landesschülerausschusses (LSA).

„Schule kann nur so demokratisch sein, wie ihre Umgebung“, sagte Ex-Vorsitzender Carsten Dannel zu Beginn. Meist sei sie es noch weniger „Schüler werden bestraft, wenn sie stören oder die Lehrer nicht klarkommen - vor allem aber, wenn sie sich politisch engagieren.“ Meinungsund Pressefreiheit gebe es nicht. Auch keine Gewerkschaft. Die Schulverfassung sieht zwar eine Schülerverwaltung (SV) mit Gremien auf verschiedenen Ebenen vor, eine Interessenvertretung kann diese aber nicht leisten. „Zu starr und bürokratisch“, sagte Koray Günay (LSA). Basisdemokratische Formen wie Vollversammlungen, Urabstim-

mungen oder Konferenzen sind nicht vorgesehen. „Wir sollen nur ein bißchen an Politik gewöhnt werden.“ Schüler aus den östlichen Bezirken hatten noch eindeutigere Erfahrungen gemacht: „Uns fragt man: Was wollt ihr denn, früher habt Ihr in Ruinen gehaust“, berichtete Daniele aus Hellersdorf. „Wir sollen uns freuen, endlich anständigen Unterricht zu haben.“

Die Landesschülerkonferenz, so Koray, sollte ein Schritt sein, mehr Schüler einzubeziehen als beim offiziellen LSA. „Hier kann man mitreden, ob gewählt oder nicht“, meinte er „Viele möchten Politik machen, ohne gleich ein Amt zu übernehmen.“ Ent-

sprechend groß war der Diskussionsbedarf: Aktuelle bildungspolitische Maßnahmen wie Schulzeitverkürzung und Streichung der Zuschüsse für Klassenfahrten standen ebenso zur Debatte wie Grundsätzliches. „Noten gehören abgeschafft“, formulierte eine Arbeitsgruppe. Sie taugten nicht zur Leistungs- oder Wissensbewertung und böten keine Perspektive, da Fehler nicht analysiert sondern nur sanktioniert würden.Mädchen und Frauen werden vor allem in Schulbüchern diskriminiert, fand eine andere Gruppe heraus: „Sie kommen nur als Hausfrauen oder in Abhängigkeiten von anderen vor.“ Ähnlich ergehe es lesbischen und schwulen Lebensformen, die nie thematisiert würden. 12 statt 13 Jahre Schule war für die meisten Schüler ebenfalls keine Frage: „Was an Wissensstoff in der Schule vermittelt wird, läßt sich natürlich komprimieren“, meinte einer.

Inhalte wie freies Arbeiten und soziales Verhalten aber kämen jetzt schon zu kurz. „Und daran wird dann als erstes gekürzt“, ist die Befürchtung.

Der abschließend zusammengetragene Forderungskatalog beinhaltet neben Abschaffung von Noten, Senken der Kursfrequenzen und politischer und finanzieller Autonomie der SV-Gremien auch Verbesserungsvorschläge für die Lebensqualität an den Schulen: Essensmöglichkeiten ohne Mensamonopol, Kuschelräume und Kondomautomaten.

„Um das alles umzusetzen, müssen wir die Schulen besser vernetzen und für mehr Informationsfluß sorgen“, sagte Carsten Dannel. Über die „Kampfmaßnahmen“ müsse man sich im konkreten Fall verständigen. Aber ein bezirks- oder landesweiter Streik dürfe dann auch kein Tabu

sein.

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