Deutsche Firmen in den Startlöchern

Konferenz um Wiederaufbau in Abu Dhabi

  • Marcus Bickel
  • Lesedauer: 3 Min.
An diesem Wochenende berät die irakische Übergangsregierung mit den Geberländern über Prioritäten beim Wiederaufbau.
Triumphierend wedelt Christian Kieshaber mit dem Blatt Papier. Darauf steht die Ankündigung der US-geführten Irak-Übergangsverwaltung (CPA) von Mitte Februar, Wiederaufbauverträge im Wert von 6 Milliarden US-Dollar auch für Unternehmen aus den Antikriegsstaaten frei zu geben. »Jetzt sind sie weich geworden«, freut sich der Jungingenieur, der für ein paar Monate zur Verstärkung des Nahost-Hauptquartiers der Doka Schalungstechnik in die libanesischen Hauptstadt Beirut gekommen ist. Nicht zuletzt, um den Wiedereinstieg der seit fast drei Jahrzehnten im Nahen Osten aktiven Firma in den Irak vorzubereiten. Noel Kamoo, der Büroleiter des Maisacher Gerüstebauers in Beirut, war bereits im Januar bei der kuwaitischen Wiederaufbaumesse »Rebuild Iraq 2004« - in der Hoffnung auf gute Geschäfte im 25 Millionen Kunden starken Markt des Nachkriegslandes. Noch diesen Monat will er in den Irak reisen, um sich ein Bild von der Sicherheitslage zu machen. Denn vor Angeboten aus dem Zweistromland kann sich der gebürtige Bagdader kaum retten. Mit ihrer Entscheidung, »bei der Bewerbung als Generalauftrags- oder Subunternehmer um die Verträge im Volumen von 6 Milliarden Dollar außerhalb des Bausektors« auch Firmen aus den Staaten der Kriegsgegner zuzulassen, hat die US-Regierung die ohnehin guten Chancen deutscher Firmen, im Irak Fuß zu fassen, weiter gesteigert. Unmittelbar nach Kriegsende wollte Washington lukrative Wiederaufbau-Verträge zunächst nicht an Staaten zu vergeben, die wie Deutschland und Frankreich den Irak-Krieg abgelehnt hatten. Lediglich 61 als Koalitionspartner anerkannte Länder, die USA selbst sowie der Irak durften sich am Wettbewerb um mehr als 18 Milliarden US-Dollar amerikanischer Wiederaufbaugelder beteiligen. Die vor zwei Wochen, kurz nach Auslaufen der Angebotsfrist für die Vergabe von Generalaufträgen in Höhe von insgesamt 5 Milliarden US-Dollar, bekannt gegebene Entscheidung schließt aber immer noch aus, dass Unternehmen aus den Antikriegsstaaten sich um Erstverträge im irakischen Bausektor bewerben. Doch vielen Investoren ist der seit Jahresbeginn mögliche Abschluss von Subkontrakten angesichts der angespannten Sicherheitslage gar nicht so unrecht. So erklärt Jochen Münker vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag: »Das eigentliche Stück des Kuchens sind die Unteraufträge, und ich glaube, die Unternehmen interessiert hauptsächlich das Auftragsvolumen.« Darüber hinaus umfassen die ersten Wiederaufbaupläne lediglich die Sanierung oder notdürftige Ausbesserung bestehender Anlagen. Nicht nur in Bagdad, wo die Abwässer von 4,5 Millionen Bewohnern durch drei marode Kläranlagen fließen, besteht aber dringender Bedarf an Neubauten. Da in den ersten zehn Monaten nach Kriegsende kein einziger Erstkontrakt an irakische Firmen vergeben wurde, setzen einheimische Geschäftsleute immer stärker auf europäische Partner. »Je mehr Freunde uns helfen, den Irak wieder aufzubauen, umso besser wird es uns allen auf lange Sicht gehen«, sagt etwa Sam Kubba, Kopf der amerikanisch-irakischen Handelskammer. Am kommenden Wochenende soll in Abu Dhabi die weitere Richtung des Wiederaufbaus abgesteckt werden. Am Persischen Golf kommt der irakische Planungs- und Entwicklungsminister Mehdi al-Hafidh mit Vertretern der wichtigsten Geberländer zusammen, um ihnen die Prioritäten der Übergangsregierung im Baubereich, aber auch in anderen Sektoren zu nennen. Neben den Milliarden der USA waren auf einer Geberkonferenz in Madrid im Oktober vergangenen Jahres weitere 12 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau zusammengekommen. In Abu Dhabi soll auch darüber entschieden werden, wie viel davon in soziale Bereiche wie Gesundheit und Erziehung fließen. Die irakischen Behörden versprechen sich von dem Treffen einen weiteren Schub in Richtung Normalisierung. Zusammen mit der für Ende dieses Monats vorgesehenen Wiedereröffnung der Bagdader Börse sehen sie darin einen wichtigen Schritt, wirtschaftlich Anschluss an den Weltmarkt zu finden. Dies blieb dem Land während der Herrschaft Saddam Husseins verwehrt.
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