- Wirtschaft und Umwelt
- Das Thema Sang- und klangloser Abschied von der Montanmitbestimmung
Krupp-Arbeitsdirektor nicht aus der IG Metall
Bei Aufzählung der vielen bedeutsamen Änderungen per 1. Juli - vom neuen Bundespräsidenten bis zur EU-Präsidentschaft Bonns - fehlt eine: In den Konzernspitzen der Stahlindustrie gibt es nun keine Mitbestimmung nach dem Montanmodell mehr. Was noch im Januar 1955 den Proteststreik von Hunderttausenden Stahlund Bergarbeitern auslöste - der Angriff eines führenden Industriellen auf die Montanmitbestimmung ging Ende Juni 1994 sangund klanglos über die Bühne, sieht man von dem Protest der Hoesch-Arbeiter aus Dortmund an die Adresse ihrer eigenen Gewerkschaft ab. Der frühere Kriegsverbrecherkonzern Fried. Krupp AG, dessen Geschichte insbesondere die Forderung nach Vergesellschaftung der Montanindustrie, zumindest nach qualifizierter, die Arbeiter- und Angestelltenseite bevorzugender Mitbestimmung laut werden ließ, hat zugeschlagen. Sein Aufsichtsrat bestellte Jürgen Rossberg, einen der Seinen, zum Arbeitsdirektor, ein IG-Metall-Vertreter kam nicht zum Zuge.
Damit wurde Konzernchef Cromme wortbrüchig. Er hatte zur Beruhigung der Dortmunder Hoesch-Belegschaft den Hoesch-Arbeitsdirektor Dr. Alfred Heese von der IG Metall 1993 in den Krupp-Vorstand geholt, als Krupp den Hoesch-Konzern schluckte. Es sollte eine dauerhafte Regelung werden, sagten Cromme und die IG Metall, daß an der Spitze
von Fried. Krupp AG auch weiter ähnlich dem Montanmodell verfahren werde, auch wenn der Gesamtkonzern nicht mehr vorwiegend ein Stahl- und damit Montankonzern ist. Doch erst im Juni wurde bekannt, daß Cromme in einem Geheimschreiben, das mit einem Geheimschreiben der IG Metall akzeptiert wurde, von der neuen Form der Mitbestimmung für den Fall der Nichteignung Abstand nahm.
Sowohl die Belegschaft als auch der bisherige Arbeitsdirektor waren über dieses Zusatzpapier im Unklaren gelassen worden, wonach der Arbeitsdirektor nicht mehr nach dem Montanmodell, sondern nach dem schwächeren 76er Mitbestimmungsgesetz gewählt wird, wenn sich Anteilseigner und Arbeitnehmer nicht auf einen Kandidaten einigen. Dieses Zusatzpapier in Gestalt des Briefwechsels Cromme-Gewerkschaft ist auch von der IG Metall geheimgehalten worden, wie am Rande des DGB-Kongresses in Berlin eingeräumt wurde. Zudem wurde jetzt bekannt, daß bei der Wahl des Cromme-Favoriten Jürgen Rossberg und bei der Aufteilung des Konzerns in neue Betriebe, in denen teilweise ebenfalls die Montanmitbestimmung abgeschafft wurde, die Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsräten nicht einheitlich gestimmt haben. Insgesamt eine traurige Bilanz der Gewerkschaftspolitik.
ULRICHSANDER
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