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Posse oder Skandal um Prof. Vogel

Berufung ruht / Neurochirurg erhob Beschwerde / Politische Intrige an Charite?

  • Lesedauer: 2 Min.

Im Fall - besser: im Skandal - um die Berufungsliste für die C 4-Professur als Chef der Neurochirurgie der Charite hat vorerst das Verwaltungsgericht ein Stoppzeichen gesetzt. Auf einer dritten Berufungsliste wurde Prof. Siegfried Vogel nicht berücksichtigt. Dagegen hatte er Beschwerde eingelegt. Auf zwei vorherigen Listen stand der Name des weltbekannten Mediziners jeweils auf Platz 1.

Gesine Lötzsch, für die PDS im Abgeordnetenhaus, und Susann Baller, Kuratoriumsmitglied der Humboldt-Uni, vertraten gestern vor Journalisten die Auffassung, daß der Neurochirurg aus politischen Gründen benachteiligt wird. Außerdem hegten sie Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt. Der hatte immer wieder behauptet, weder er noch irgendjemand in seiner Verwaltung habe je Kenntnis von irgendeiner Berufungsliste erhalten.

Diese Zweifel sind nicht neu. Sie wurden gestern durch Briefe und Schreiben erhärtet. Eine Struktur- und Berufungskommission (SBK) unter Prof. Kindermann (München) hatte im November 1992 Prof. Vogel auf den ersten Platz gesetzt. Am 14. Januar 1993 wurde die SBK aufgefordert, bei Berufungslisten auch ein Votum zur Integrität der Kandidaten abzugeben. Eine folgende SBK unter Prof. Weis aus Würzburg informierte in einem Brief vom 14. Oktober 1993 den Senator, daß sie Vogel auf Platz 1 gesetzt habe, sich jedoch außer-

stande sehe, eine Unbedenklichkeitserklärung abzugeben. Laut Sitzungsprotokoll (vom 11. Oktober 1993) wurde im Falle einer Nichtberufung Vogels eine Neuausschreibung empfohlen. Am 26. November 1993 forderte Prof. Weis den Senator per Brief nochmals dazu auf. Dies in einer Diktion, die beim Adressaten Kenntnisse über den Vorgang voraussetzt. Am 29. November 1993 stimmte die Senatsverwaltung der Neuausschreibung zu. Und Dekan Mau handelte. Die Senatsverwaltung hat nun letzte Woche eine Berufungsliste erhalten. Ohne den Namen von Prof. Vogel.

Fragen werden jetzt in mehrfacher Hinsicht gestellt. Hat sich die Senatsverwaltung an die Unantastbarkeit der Hochschulautonomie gehalten? Ein Brief der Charite an

die Senatsverwaltung mit der Bitte um eine Stellungnahme zur erneuten Bewerbung Vogels vom 14. Februar 1994 macht das fraglich. Nach all der Hin- und Herschreiberei zwischen Charite und Senatsverwaltung scheint die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens insgesamt sehr zweifelhaft.

Für den Osten Berlins, so Gesine Lötzsch, ist der Skandal wohl zum Normalfall geworden, dahingehend, daß Ost-Wissenschaftler zugunsten von Kollegen aus dem Westen verdrängt werden. Dann versteht man auch die „Verwunderung“ von Dekan Mau und HUB-Präsidentin Dürkop auf der Kuratoriumssitzung vom 15. Juni 1994 zum Fall Vogel: Das sei doch kein Einzelfall.

PETER KOLLEWE

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