Köder oder Gefälligkeit?

Zwei Magdeburger Minister in Nöten / Wirbel um Beratervertrag

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Beeinflussung eines Gerichts wird Sachsen-Anhalts Justizminister vorgeworfen. Ein Untersuchungsausschuss ermittelt. Bald könnte ein zweiter folgen - wegen einer Berateraffäre im Finanzressort.

Stellplatzablöse ist »ein leidiges Thema«, sagt Curt Becker. Die Meinung des Justizministers werden die Mitglieder des Untersuchungsausschusses teilen, der mit Becker gestern erstmals den Hauptbeschuldigten hörte. Fünf Stunden hatten die Abgeordneten bereits Zeugenauskünfte zur Berechnung, zu den Zuständigkeiten und dem schwierigen Eintreiben der Gebühr gehört, die Bauherren zahlen müssen, wenn sie beim Hausbau nicht ausreichend Parkplätze schaffen. Mühselig nähert sich das Gremium damit der Frage, ob Becker als Minister in ein Gerichtsverfahren eingegriffen hat - zu Gunsten eines Parteifreundes. Kontrahenten in dem Verfahren, das mit einem Vergleich endete, waren die Stadt Naumburg, in der Becker lange Oberbürgermeister war, und eine Firma, die dort ein Haus saniert hatte. Zu deren Teilhabern gehört der CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Poser. Das Unternehmen wollte die Ablöse nicht in geforderter Höhe zahlen und berief sich, so Anwalt Jürgen Stänner gestern, auf Zusagen des Rathauschefs, wonach die Stellplatz-Frage »nicht relevant« sei. Zwar gebe es nichts Schriftliches, aber »manchmal gilt ja auch das Wort eines Ehrenmannes«. Manchmal aber gilt es auch nicht. Becker sagte aus, sein anfängliches Entgegenkommen in der Stellplatzfrage sei nur ein »Köder« gewesen, um die dringend gesuchten Investoren »an die Leine zu bekommen«. Ein Erlass der Gebühr sei nie vorgesehen gewesen. Als die Bauherren sich auf anders lautende Aussagen Beckers beriefen, erklärte dieser im Oktober 1999 per Hausmitteilung: »Ich habe eine solche pauschale Zusage nie gegeben.« Becker suchte auch den Eindruck eines Freundschaftsdienstes zu zerstreuen. Zu Poser habe er »bestimmt kein freundschaftliches Verhältnis«. Er betont auch, in anderen Fällen bei Investoren mit CDU-Parteibuch die Gebühren eingetrieben zu haben, weshalb ihm ein Stadtrat »noch heute gram« sei. Offen bleibt aber die Frage, warum Becker ausgerechnet in diesem Fall einen Brief auf Minister-Kopfbogen an die Stadt schrieb, den die Streitgegner sich prompt im Verfahren zu Nutze machten. Ein langwieriges Verfahren zeichnet sich ab. Zur Kernfrage im Briefkopf-Streit ist der Ausschuss noch längst nicht vorgedrungen; weitere Vorwürfe harren der Behandlung. So soll Becker als OB die ohne Verfahren erfolgte Vergabe für einen 1,5 Millionen Euro schweren Computer-Auftrag zu verantworten haben. Wegen der sich häufenden Vorwürfe gilt der Minister als politisch stark angeschlagen. Eine Vergabeaffäre bringt jetzt auch Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) in Bedrängnis. Dabei geht es um zwei Beraterverträge über je 197000 Euro, die beide an eine Hannoveraner Firma gingen und der Gesellschaft für das Liegenschaftsmanagements (Limsa) zugute kommen sollten. Kritisiert werden zum einen mögliche Verstöße gegen das Vergaberecht durch Teilung des Auftrags: Ab einem Wert von 200000 Euro sind offene Ausschreibungen nötig. Für Wirbel sorgt zudem der Umstand, dass ein Staatssekretär noch im Oktober im Landtag erklärt hatte, bei der Limsa werde »kein externer Sachverstand benötigt«. Die SPD spricht nun von »professioneller Täuschung«. Unklar ist noch, wer die Affäre zu verantworten hat. Die Ministeriumsspitze will im Oktober von den Verträgen »definitiv nichts gewusst« haben und ermittelt nun hausintern. Eine Vergabe durch die Limsa ohne politische Rückendeckung gilt aber ebenso als unwahrscheinlich. Minister Paqué habe in jedem Fall einen »schwerwiegenden politischen Fehler« begangen, sagt der PDS-Abgeordnete Wulf Gallert. Und sein SPD-Kollege Jens Bullerjahn hält »den näc...

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