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Von Prof. Dr. HEINZ KARL

  • Lesedauer: 3 Min.

den müsse. Bürgerlichen Parteien hielt er vor, sie nähmen die parlamentarische Aussprache nicht mehr ernst und würden versuchen, „das Parlament dadurch abzubauen, daß man bestrebt ist, wichtige Beratungsgegenstände aus dem Vollparlament in den Bürgerausschuß oder sonstige kleine Konventikel zu verlegen, wo sie der Öffentlichkeit entzogen werden sollen“

Thälmann wandte sich dagegen, sich zur bürgerlichen Demokratie oder zu einem

Wechsel bürgerlicher Herrschaftsformen gleichgültig zu verhalten. Im Juli 1922 sagte er, „wenn uns auch die heutige demokratische Staatsform nicht genügt, weil wir,unter einer >; »demokratischen jStaatsform vom Standpunkte der Arbeiterschaft etwas ganz anderes verstehen..., so sind wir doch verpflichtet..., wenn die Reaktion... diese uns nicht genügende Staatsform beseitigen will, mit der gesamten Arbeiterschaft den Kampf gegen die Reaktion aufzunehmen“

So warnte Thälmann auch eindringlich vor dem Erstarken der faschistischen Kräfte, verwies auf die „schleichende Faschisierung“ (statt eines offenen faschistischen Umsturzes). Sie ist „durchaus neuartig und entspricht den ganz spe-

zifischen Bedingungen, unter denen der Faschismus in Deutschland heranwächst“, schrieb er 1931.

Die Ursachen und gesellschaftlichen Wurzeln faschistischer Tendenzen sah Thälmann vor allem in den Interessenlagen von Teilen des Großkapitals und des Junkertums - regionale Differenzierungen (z.B. zwischen dem Rheinland und Sachsen) einbegriffen. Er erkannte, daß von einer wirksamen Bekämpfung der faschistischen Gefahr nicht

die Rede sein kann, wenn man sie auf die vordergründige Auseinandersetzung mit faschistischen Demagogen und Terroristen beschränkt und nicht deren finanzkräftigen Förderer ins Visier;-riiiiinife

Mit der Losung für die Reichspräsidentenwahl 1932 „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“ brachten die deutschen Kommunisten den Zusammenhang von Faschismus und Revanchepolitik auf den Punkt. Ungeachtet aller taktischen Fehlleistungen, die Thälmann mit zu verantworten hatte, bewiesen sie in dieser Frage Klarheit und Konsequenz. Dies bewog denn auch einen Carl v Ossietzky, für den Präsidentschaftskandidaten Thälmann einzutreten: „Linkspolitik

heißt, die Kraft dort einsetzen,

wo ein Mann der Linken im Kampfe steht. Thälmann ist der einzige, alles andre ist mehr oder weniger nuancierte Reaktion.“ Auch ein Graf von Moltke und dessen Frau - später zugehörig zur Bewegung des 20. Juli - gaben angesichts der inkonsequenten Haltung anderer politischer Kräfte gegenüber den Nazis ihre Stimme dem Kommunisten Thälmann.

Sicher, die Diskrepanz zwischen dem ehrlichen Streben nach einem anderen Deutschland und dem Unvermögen, sich aus dogmatischen und schematischen Positionen zu befreien, war auch bei Thälmann gegeben. Auch er vermochte bis 1933 nicht den theoretischen Erkenntnishorizont der 20er Jahre zu überschreiten. Vorgaben der Komintern wurden von ihm vielfach kritisch beleuchtet, aber trotz Bedenken und Vorbehalten nicht grundsätzlich verworfen. Zwar hat Thälmann vor allem 1932 die selbständige Bedeutung antifaschistischer Aufgaben und Ziele herausgearbeitet, sich gegen kurzfristige revolutionäre Perspektiven und Revolutionserwartungen gewandt, Endziellosungen tunlichst vermieden - er ist aber bei all dem auf halbem Wege stehengeblieben. Zwar versuchte er, die Haltung zur Sozialdemokratie elastischer zu gestalten und zu entspannen, dennoch fand auch er nicht die richtige Sprache für die Verständigung mit der SPD.

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