Mel Gibsons Blut-Orgie
Jesus-Film nicht nur im »Bible Belt« ein Renner
Der am Donnerstag in Deutschland anlaufende US-amerikanische Streifen »The Passion of the Christ« von Mel Gibson war schon vor seiner Premiere heftig umstritten.
Zwei Stunden lang blutige Folterszenen, zum Fenster hinausgeworfenes Geld«, meint ein niederländischer Tourist. Eine tränenüberströmte Besucherin stammelt, jetzt wisse sie, wie sehr Jesus Christus gelitten habe. Und ein mit Krawatte ausgestatteter Herr mittleren Alters zischelt, die Juden seien halt doch schuld gewesen. Szenen an einem Nachmittag am New Yorker Union Square, wenn die Besucher von »The Passion of the Christ« auf die Straße treten. Noch nie waren bei einem Streifen die Wogen so hochgeschlagen, bevor er überhaupt Premiere hatte. Auf den Feuilletonseiten der Tageszeitungen wurde debattiert über Regisseur Mel Gibson, über Mythos und Wahrheit im Leben von Jesus Christus, über die Bibel und über Antisemitismus. Der TV-Sender ABC brachte wenige Tage vor der Premiere ein Interview mit Gibson, das sich Millionen anschauten. Schockieren habe er wollen, gab Gibson zu, sein Ziel bestehe darin, die Zuschauer zu verstören. Aber weshalb? Das Ausmaß des Leidens Christi mache dies notwendig, so Gibson. Kritik war dem Film schon vor einem Jahr entgegengeschlagen, als Vertreter jüdischer Gemeinden vor möglichen antisemitischen Inhalten warnten. Der Vorsitzende der Anti-Diffamation League, Abraham Foxman, der sich Ende letzten Jahres unerkannt eine Vorabvorführung ansehen konnte, sagte, der Film zeige »blutdürstige Juden und arme, nette Römer«, und warnte, der Streifen könne antisemitische Gefühle auslösen. Ein Antisemit sei er natürlich nicht, sagte Gibson im ABC-Interview, das verbiete ihm sein Glaube. Der Regisseur ist Anhänger einer rechten katholischen Sekte, die die Reformen des Vatikan seit Mitte der 60er Jahre ablehnt. Unter anderem hatte das Zweite Vatikanische Konzil der Jahrhunderte lang gepflegten These von der Kollektivschuld der Juden am Tod von Jesus Christus abgeschworen. Da Gibson keinen großen Hollywood-Vertrieb hatte finden können, stützte er sich auf christliche Fundamentalisten, die für den Film monatelang intern Werbung betrieben. Im so genannten Bible Belt - dem Mittelwesten und Südosten der USA - sind große Kinos auf Wochen hin ausgebucht, auch in den urbanen Zentren an der Ost- und Westküste ist der Andrang groß. Neben den beinharten christlichen Fundamentalisten sind es die Neugierigen, die die Kinokassen klingeln lassen. Die Filmverleihfirma »Newmarket« glaubt, mit dem Gibson-Film zwischen 350 und 400 Millionen Dollar einfahren zu können. Und nicht wenige Marktbeobachter gehen davon aus, dass demnächst weitere re...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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