Schneller! Länger! Billiger!

Kampagne Saubere Kleidung kritisiert Bedingungen in der Sportartikelindustrie

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Die Olympischen Spiele in Athen nahen. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. Entwicklungspolitische Initiativen erinnern an die Arbeitsbedingungen in den Weltmarktfabriken des Südens.

Seit der Öffnung für kommerzielles Sponsoring im Jahr 1960 sind die Olympischen Spiele gerade für die Sportartikelindustrie eine riesige Werbeplattform. Besonders großes Geschick beweist derzeit die deutsche Marke »Puma«, die seit Wochen ihren Ausrüstervertrag mit dem jamaikanischen Olympiateam aufwändig im Fernsehen bewirbt. Ein geschickter Schachzug - denn auf diese Weise kann »Puma« mit einem Sportereignis auch bei einer Zielgruppe punkten, die sich statt für Leistungssport normalerweise für Musik und Marihuana interessiert. Die Sportler von der Reggae-Insel haben zwar in vielen Disziplinen nicht den Hauch einer Chance auf eine Goldmedaille. Dafür aber haben sie etwas, was Spitzen-Speerwerfer oder Moderne Fünfkämpfer nie haben werden: »Coolness«. Eine solche Politik wirkt: Die beiden deutschen Marken, Puma und Adidas, haben kürzlich jeweils Gewinne in Höhe von etwa 260 Millionen Euro angegeben - bei allen Klagen des Einzelhandels und der Konsumgüterwirtschaft. Einen weiteren Schub erwarten sich die Turnschuh- und T-Shirt-Mogule von den Athener Spielen. Diese aber fordert nicht nur von den Sportlern Höchstleistungen, auch auf den Arbeiterinnen und Arbeitern der zumeist in den Weltmarkt-Produktionsoasen Lateinamerikas oder Asiens gelegenen Sportartikel-Fabriken lastet in den kommenden Monaten großer Leistungsdruck. Denn obwohl nach wie vor maximal 20 Prozent des Ladenpreises eines Turnschuhs für Herstellung und Verschickung der Ware aufgewendet werden und davon im Schnitt weniger als zwei Prozent auf die Arbeitslöhne entfallen, erhöhen die Markenfirmen gerade in solchen Situationen den Druck auf die Herstellerbetriebe. »In der Sportartikelindustrie heißt das olympische Motto "Schneller, länger, billiger"«, sagt Maik Pflaum von der »Christlichen Initiative Oscar Romero«. Um Lagerkosten zu vermeiden, würden die westlichen Markenkonzerne bei plötzlichen Nachfrageschüben mitunter sehr kurzfristig die Produktionsmengen in kaum noch realisierbare Höhen treiben. Zusammen mit der entwicklungspolitischen Organisation »Oxfam«, dem DGB und etlichen anderen Gruppen aus der Zivilgesellschaft organisiert die linkschristliche Gruppe die »Kampagne für Saubere Kleidung« (CCC), die seit Jahren gegen solche Praktiken vorgeht. In den Weltmarktfabriken würden Löhne bezahlt, die nur bei massiven Überstunden - eine neue »Oxfam«-Studie ergab zum Beispiel für die chinesische Boomregion Guandong bis zu 150 (!) Überstunden pro Monat - überhaupt ein Auskommen ermöglichen. In Guandong, so die Studie weiter, haben 60 Prozent der Beschäftigten keinen regulären Arbeitsvertrag und 90 Prozent keine Sozialversicherung. Auch in lateinamerikanischen Staaten wurden in den letzten Jahren die erlaubten Arbeitszeiten verlängert, Vorschriften für Überstundenzuschläge aufgeweicht und prekäre Beschäftigungsverhältnisse in saisonunabhängigen Branchen ausgeweitet. In einer Fabrik in El Salvador, die Pflaum im Jahr 2002 besucht hat, tranken die Arbeiterinnen während der Schichten gefährlich schmutziges Wasser. Wegen der niedrigen Löhne konnten sie es sich nicht leisten, eigenes Trinkwasser mitzubringen. Die CCC existiert seit 1989, als in den Niederlanden Proteste gegen die Produktionspraktiken der »C&A«-Zulieferer aufkamen. Seither hat sich die Kampagne auf nahezu alle europäischen Länder ausgeweitet. Nicht ohne Wirkung: Inzwischen haben sich die meisten Bekleidungs- oder Sportartikelhersteller auf ethische »Kodizes« eingelassen, die die CCC in Anlehnung an die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ausgearbeitet hat - »Puma« zum Beispiel im Jahr 2000, »Adidas« im Jahr 1998. Jörn Kaminski von »Oxfam« Deutschland hält das für einen ersten Erfolg. Jetzt müsse eine wirksame, unabhängige und die Beschäftigten einbeziehende Kontrolle durchgesetzt werden. Denn wirkliche Verbesserungen, so Kaminski, seien undenkbar, solange in den Markenfirmen das gnadenlose Kostensenkungs-Diktat der Einkaufsabteilungen die »weichen«, ethischen Gesichtspunkte vergessen mache. Auch diese Forderung beginnen die Konzerne inzwischen wahrzunehmen. Um »unabhängige« Kontrollen darstellen zu können, sind in den letzten Jahren »Marken« der US-amerikanischen Fairen Arbeitsorganisation (FLO) beigetreten. Doch scheint diese auf einer Initiative des ehemaligen US-Präsidenten William Clinton basierende Gruppierung eine Art Persilschein-Funktion zu erfüllen. Europäische Kritiker jedenfalls weisen darauf hin, dass die FLO weder Existenz sichernde Mindestlöhne fordert, noch die Arbeitnehmerseite beteiligt. Die Spiele in Athen werden die ersten im »Zeitalter des Terrorismus« sein - dementsprechend emphatisch wird der Appell an die »eine Welt« und den »Humanismus« ausfallen. Vielleicht kann dieses Diskurs-Umfeld dazu beitragen, dass auch die unsichtbaren, fleißigen und zumeist weiblichen Hände des Südens ...

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