Trainer-Entlassungen und »Hütte-Ich-AG«

Talente-Lage in Berlin / Nicht alle, aber mehrere Wege führen aufs Treppchen

  • Martina Krüger
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Schlussendlich haben die großen Damen wieder wie gewohnt gesiegt. In der Nachwuchsabteilung des Berliner TSC freut sich Übungsleiterin Kathrin Stuewer, über die schnellen Runden einer Pechstein, Garbrecht oder Friesinger. Vor allem aber auch darüber, dass sie ein weiteres Argument hat, um die Eltern davon zu überzeugen, dass Eisschnelllauf ein schöner Sport ist. An 17 Berliner Grundschulen ist in der 4. Klasse zehn Unterrichtsstunden lang Eislaufen Pflichtsport. Wer ein Gefühl für Eis und Schlittschuhe erkennen lässt, wird zum Schnuppertraining eingeladen. »Da sind noch alle Feuer und Flamme«, sagt Kathrin Stuewer, »doch dann beginnen die Probleme. Zum einen ist da oft eine Abneigung der Eltern gegenüber Leistungssport. Zum anderen wollen sie ihre Kinder nicht allein durch ganz Berlin zum Eisstadion nach Hohenschönhausen schicken.« Trotzdem - einige Verrückte bleiben. Aber es werden von Jahr zu Jahr weniger, die sich entscheiden, diesen Sport leistungsorientiert zu betreiben. Einer der erfolgreichsten Berliner Nachwuchstrainer, Detlef Nowack, konnte vor fünf Jahren noch 25 Jungen und Mädchen von Frau Stuewer übernehmen. Im vergangenen Jahr nur noch acht. Einen Vizemeister bei den Jungen und einen dritten Platz hat er von den Deutschen Altersklassenmeisterschaften in Chemnitz in diesem Jahr mit nach Hause gebracht. Vor zwei Jahren holte er mit seinen damals 15-Jährigen die Plätze eins, zwei, drei und fünf bei den Jungen und eins und fünf bei den Mädchen. Cindy Nedela, Nico Dorsch und Christian Bajinski wurden sogar Jugend-Europameister. Talent ist bekanntlich nicht alles; leistungsbereit ist ein Kind nur, wenn es auch begeistert ist. Nowack ist einer der fürs Eislaufen begeistern kann. Der auch mal Eltern überzeugt, dass es keinen Gegensatz ist, wenn das Kind Bratsche spielt und eisläuft. Er hat das Feuer und den richtigen Ton. Leute wie ihn gibt es aber leider immer weniger. Günter Schumacher, Sportdirektor der Deutschen Eisschnelllaufgemeinschaft sieht genau dieses Problem. Viele Kinder driften in die Trendsportarten ab, wo es wahrscheinlich »cooler« zugeht. »Wir brauchen«, sagt Schumacher, »gerade im Nachwuchsbereich Trainer, die auf die Kinder als gesamte Persönlichkeit wirken, die nicht nur den Sport sehen. Schon wenn ein Trainer die Sprache der Kinder nicht versteht, ist er bei ihnen unten durch.« Und es geht natürlich auch darum, dass viel zu wenig Trainer bezahlt werden. Schumacher spricht für Deutschland von 80 bis 100, in Holland wären es 20000, die die sich mit dem Eislaufen beschäftigen. Hauptamtlich und ehrenamtlich. Übrigens hat auch Detlev Nowack zum Ende dieser Saison einen blauen Brief bekommen. Wahrscheinlich verfährt man in Berlin bei Entlassungen schon nach dem Losverfahren. Oder hat er vielleicht das starre Konzept der Kader- und Trainerzuteilung in Frage gestellt? Es schmerzt ihn, dass von seinen einst so erfolgreichen 15-Jährigen nur noch drei beim Eislaufen sind. Doch wer kein »Kader« wird, fliegt. Aber selbst 17-Jährige sind noch in der Entwicklung. Warum entscheidet man bei solch einer dünnen Begabtendecke nicht individueller, vielleicht auch gruppendynamischer? So sieht das auch Uwe-Michael (»Hütte«) Hüttenrauch. Ihn traf das Blaubrief-Los schon vor Jahren. Und er gründete im vergangenen Herbst die erste »Ich-AG« im Eisschnelllauf, vielleicht überhaupt im Sport. »Hütte« legt viel Wert auf Vertrauen zwischen Eltern, Sportler und Trainer. Er holt seine Sportler, die er auch in Schulen sichtet übrigens mit einem Kleinbus zum Training ab... Der Verband beobachtet all dies mit Argwohn. Als die hoch begabte Bente Kraus zu »Hüttes« Trainingsgruppe stieß, wurde ihr vom Verband der Kaderstatus aberkannt. Ähnlich erging es Isabell Ost, einer ehemalige Eiskunstläuferin, wegen Zugehörigkeit zur »Hütte-Ich-AG«. Warum aber sollte man denn nicht mehrere Wege versuchen? Der Mangel an Nachwuchs müsste doch eigen...

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