Heute tanzt man Discofox

Auch Quickstepp und Walzer locken in Tanzschulen

  • Dirk Engelhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
»Quick-Stepp, Quick-Quick-Stepp«, tönt es aus einem der Säle der Tanzschule »Broadway« in Spandau. Ein halbes Dutzend 15- bis 16-jährige Jungen folgen brav den Anweisungen der Tanzlehrerin, während die Mädchen auf den Stühlen sitzen und die Versuche ihrer Partner mit Interesse verfolgen. Es ist der erste Tanzkurs, und für einige auch der erste Flirt. Am anderen Ende des Flurs dreht sich ein Frau auf hohen Stöckelschuhen elegant um einen Mann zum Takt von Wiener Walzermusik. Tanzlehrer Jens Jörgens korrigiert geduldig jede Bewegung. Im kleinen Saal nebenan üben geschmeidige junge Frauen Flamenco. Aus dem Spiegelsaal dröhnt laute Disco-Musik herüber. Wie im Kino-Hit »Flashdance« sieht es hier aus, wenn zehn Mädchen in Leggings und bauchfreien Tops und ein Tänzer im Jogginganzug auf dem Parkett trainieren. »Nach den normalen Tanzkursen sind die Videoclip-Dance-Kurse am besten belegt«, erzählt die Leiterin der Tanzschule, Monika Förschler. Das Konzept der Schule, die Förschler nur ungern Tanzschule nennt, weil das so altmodisch und steif klingt, ist ein Haus, in dem man alles lernen kann, was mit musikalischer Bewegung zu tun hat. »So, wie das in den USA gemacht wird«, sagt Förschler. In den Grundkursen gibt es traditionell eine Mittelparty und einen Abschlussball. »Die Zeiten, in denen man mit zerlöcherten Jeans und abgerissenen Klamotten herumlief, sind vorbei«, sagt Förschler. Für den Abschlussball ist Ballkleidung vorgeschrieben, in den Tanzstunden jedoch kann jeder anziehen, was er will. Bequem soll es sein. Im Gegensatz zu früher, als in den Tanzschulen auch Benimmregeln gelehrt wurden, ist dies in der Tanzschule »Broadway« kein Thema. »Obwohl«, schaltet sich Tanzlehrer Gottwaldt ein, »diese Benimmregeln heute, wo jeder zweite rund um den Globus jettet, wieder total gefragt sind.« Die Schule gehört zum Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV), im Gegensatz zu den »freien« Tanzschulen, die es in Berlin auch gibt. »Die Mitgliedschaft hat den Vorteil, dass man immer auf dem neuesten Stand ist, was die Entwicklung der Tänze betrifft«, sagt Förschler. »Außerdem sind die Tanzlehrer alle eins a ausgebildet.« Ganz billig sei die Mitgliedschaft zwar nicht, aber noch reiche die Belegung der Kurse aus, um sie zu finanzieren. Anfang der 90er Jahre, als in den Diskotheken Techno Mode war, litten viele Tanzschulen an Teilnehmermangel. »Da konnte man richtig beobachten, wie die 14- bis 15-Jährigen zu Bewegungsmutanten wurden«, sagt Heike Hilgendorf, Lehrerin an der Schule »Traumtänzer«. Früher, bei gängiger Disco-Musik, habe man sich noch mit »Feeling« bewegt. Doch bei dem eintönigen Beat der Techno-Musik passiere nicht mehr viel mit den Beinen, da werde fast nur noch mit den Armen gearbeitet. Heute seien die Salsakurse und der Discofox sehr gefragt - vor allem, da man dies in vielen Clubs der Stadt auch wirklich anwenden kann. Neben den Bällen veranstaltet die Schule Tanzpartys, die für alle Kurse offen sind. »Zu Fasching machen wir zum Beispiel regelmäßig eine Bad-Taste-Party, bei der man sich möglichst geschmacklos kleiden soll«, erzählt Tanzlehrer Matthias Naujoks. Begehrt sind auch die Single-Kurse, die man ohne festen Tanzpartner besucht, und bei denen die Partner ständig gewechselt werden. Naujoks verrät, welche Schuhe man in den Kursen am besten tragen sollte: »Keine Schuhe mit glatten Sohlen, aber auch keine mit rutschfesten.« Optimal seien spezielle Tanzschuhe mit einer rauen Wildledersohle, die auf dem Parkett gleiten, aber nicht stoppen. Auch normale Halbschuhe mit Gummisohle erfüllen ihren Zweck. Dann muss man nur noch im Branchenbuch die richtige Adresse finden.ddp

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