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Wird Luisenthal zum Armenhaus?
DCC-Kranbauer machen Front gegen geplante Unternehmensverlagerung
Die Beschäftigten des Werkes Luisenthal der Demag Cranes & Components GmbH & Co. KG (DCC) wehren sich gegen die Schließung des Thüringer Standortes. Die Unternehmensführung will die Produktion nach Tschechien verlagern.
Wenn hier das Licht ausgeht, hat das weit reichende Folgen«, warnt Betriebsratschef Ralph Triebel. Auf einer Protestkundgebung vor dem Werkstor am vergangenen Sonnabend sagte er, eine Schließung würde nicht nur die 106 Arbeitsplätze im Luisenthaler Werk vernichten, sondern auch 45 Zulieferunternehmen bedrohen. Mit dem Werk, in dem seit 250 Jahren mehrere Generationen Luisenthaler Lohn und Brot fanden, sterbe die ganze Region, so Triebel. Auch deshalb waren Vertreter von Zulieferfirmen und aus westdeutschen DCC-Werken wie Bad Bergzabern, Uslar und Wetter zu der Kundgebung angereist.Luisenthals Bürgermeister Günter Jobst wurde ND gegenüber noch deutlicher: »Wenn das Werk schließt, werden wir zum Armenhaus und Altenheim.« In dem 1500 Einwohner zählenden Ort gebe es als Gewerbe dann nur noch zwei Hotels und eine kleine Talsperrenverwaltung. Zu den schon zahlreichen in der Gemeinde verfallenden Immobilien käme dann noch eine Industriebrache hinzu, erklärte Jobst und betonte, es könne und dürfe nicht sein, dass mit der EU-Erweiterung der produktive Standort aufgegeben wird.
In das Luisenthaler Werk sind nach Angaben von Betriebsrat Triebel seit 1990 rund 15 Millionen Mark investiert worden. Mit sieben Millionen Mark habe der Freistaat Thüringen mehr als die Hälfte davon aus Steuermitteln finanziert. In diesem Jahr, so Triebel, sei nun die Frist abgelaufen, innerhalb derer das Geld im Falle der Firmenschließung hätte zurückgezahlt werden müssen. Nun suchten sich die Herren neue Länder zum Absahnen, schimpfte er. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass das Unternehmen von »gut bezahlten Versagern« an die Wand gefahren wird, betonte auch Reinhard Möller, Betriebsrat bei DCC im hessischen Uslar. Möller warf dem Management eine verfehlte Kranstrategie vor und rief dazu auf, alle Kräfte zu bündeln und den weiteren Abbau von Arbeitsplätzen nicht kampflos hinzunehmen. Jetzt gelte es, gemeinsam Alternativen auszuarbeiten. Schließlich sei Luisenthal bisher immer als Vorbild hingestellt worden.
Im Werk Bad Bergzabern, das vor zwei Jahren ebenfalls geschlossen werden sollte, hat man mit Alternativen schon Erfahrung. Zwar verlor am Standort in Rheinland-Pfalz ein Viertel der Belegschaft ihren Arbeitsplatz, der Fortbestand des Werkes konnte aber erzwungen werden. Gerade deshalb wundert sich der stellvertretende Betriebsratschef, Horst Becht, dass kein Landespolitiker auf der Luisenthaler Kundgebung anwesend war. In Bad Bergzabern habe sich der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) persönlich engagiert, sagte Becht. Auch der Kollege aus Rheinland-Pfalz zweifelt am Sinn der geplanten Verlagerung. Das neu gebaute Werk im tschechischen Slany komme nicht in Tritt, berichtete er. Spezialkrane, die eigentlich dort gefertigt werden sollten, werden derzeit in Luisenthal produziert. Der Produktivitätsrückstand und die fehlende Erfahrung müssten zwangsläufig zu Verlusten führen, die auch durch die niedrigeren Löhne dort nicht aufzufangen seien. Erfahrungen mit misslungenem »Outsourcing« habe man laut Becht schon in Bad Bergzabern gesammelt, als Produktion wegen der niedrigeren Lohnkosten ins benachbarte Frankreich ausgelagert wurde. Da dort die Produktivität erheblich geringer war, seien nur Verluste eingefahren worden. Nach wenigen Jahren wurde die Verlagerung wieder rückgängig gemacht.
Reinhard Möller aus Uslar wies auf weitere Managementfehler aus der Vergangenheit hin, zu denen auch ein ruinöses Preisdumping zwischen den konkurrierenden Kranbauern gehört. Seiner Einschätzung nach ist die Glaubwürdigkeit der »Möchtegernstrategen« im Management gleich Null.
Zahlen & Fakten
Die Demag Cranes & Components GmbH & Co. KG (DCC) bezeichnet sich als Weltmarktführer bei Kranen und hebezeugen. Mit Produkten und Dienstleistungen aus vier Geschäftszweigen bietet sie komplette Branchenlösungen für Fahraufgaben, Lastenhandhabung am Arbeitsplatz sowie Materialfluss an. Im Geschäftsjahr 2002/2003 wurden Umsatzerlöse von 666,7 Millionen Euro erzielt. In sechs deutschen Werken sowie 19 Auslandsgesellschaften waren insgesamt 6332 Mitarbeiter beschäftigt.
Das Unternehmen war nach der Zerschlagung von Mannesmann an Siemens gegangen. Inzwischen ist die US-Investorengruppe KKR Mehrheitseigentümerin. KKR genießt den fragwürdigen Titel »Pionier der Finanzinvestitionen« und zählt zu den Großen der Branche. Seit ihrer Gründung 1976 hat KKR mehr als 100 Investitionen mit einem Gesamtvolumen von über 100 Milliarden US-Dollar getätigt. Nach den Worten des Vorsitzenden der DCC-Geschäftsführung, Dr. Helmut Franzen, ist mit der Übernahme durch die KKR ein wichtiger Schritt in eine erfolgreiche Zukunft getan worden. Viele der derzeit noch 2000 Beschäftigten in den deutschen Werken sehen für ih...
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