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  • Kultur
  • „Zigeunerbaron“ im Berliner Metropol

Zwischen Falstaff und Clown Popow

  • Gunter Gort
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem die Ouvertüre verklungen war, durfte man gespannt sein auf die nun vierte Nachkriegsinszenierung des „Zigeunerbaron“ von Johann Strauß. Der junge Engländer Basil Coleman ließ sie, auf dem Fundament wohlklingender Streicher, in gemessenen Tempi, dabei die einzelnen Instrumentengruppen in seltener Plastizität betonend, musizieren. So ausgewogen klang's nicht oft aus dem Orchestergraben. Da war man neugierig, wie Regisseur Wolfgang Weit sich der Story wohl nähern würde. Leider verließ der sich zu sehr auf seine Routine, auf handwerkliche Gediegenheit bei den szenischen Arrangements. Er spielte das Stück quasi vom Blatt und überließ, wie's schien, die Akteure weitgehend sich selbst. Um den musikalischen Vorgaben von Papa Strauß und den interpretatorischen Ambitionen des Dirigenten zu genügen, hätte es jedoch des Aufbrechens der Story, des Spiels unter der Oberfläche bedurft. Was hat der Strauß doch für herrliche Ensembles geschrieben, welch musikalischer Witz im Detail. Der Regisseur blieb davon weitgehend uninspiriert. Schade!

Trotzdem dürfte die Inszenierung beim Publikum ein Erfolg werden. Dank des Bühnenbildes von Manfred Bitterlich und der Kostüme von Anneliese Felz hat sie beträchtlichen Schauwert, und der dritte Akt - hier blitzt dann auch gelegentlich Ironie auf - vermag etwas von dem zu vermitteln, was man sich davor schon gewünscht hätte, souveränen Umgang mit dem Stoff, ohne das Genre Operette zu diskreditieren. Bei der Güte der Musik dürfte das ohnehin schwerfallen.

Fritz Hille, ohne Zweifel ein Erzkomödiant, ? - dem ? - der Schweinefürst Zsupan gut in der Kehle liegt, wurde 1 im'Ko-

stüm zu einem Falstaff und in der Maske zu einem Clown Popow ausstaffiert. Die Chance, diese Figur zu einer komischen Charakterrolle zu weiten, hat ihm der Regisseur leider nicht eröffnet. Doch wenn er durch die Szene poltert, ist was los. Ute Trekel-Burckhardt hat als Zigeunerin Czipra einen Ausflug von der Oper in die klassische Operette unternommen. Was sie aus dieser Rolle macht, ist sehens- und hörenswert. Konsequent meidet sie das Klischee - was in den von Winfried Schneider choreographierten Tänzen leider in reichem Maße strapaziert wird. Sie macht deutlich, diese Czipra ist eine selbstbewußte Person, den meisten in ihrer Umgebung intellektuell überlegen. Angelika Gräfe-Gerdjiko als junge Zigeunerin bringt gewinnenden Charme ins Spiel, wenn sie auch sängerisch bis an die Grenzen gefordert ist. Aber man weiß es, der Strauß ist nicht leichter zu singen als Mozart. Dieter Podszus als Barinkay hat einige Mühe, dem geneigten Publikum plausibel zu machen, was er für ein pfiffiges Kerlchen ist, der so manches Mädchenherz entflammen ließ und sich mit allen möglichen Tricks durchs Leben schummelte. Bei der Arsena, die Ingrid Krauß als spitze, etwas zickige Bürgerstochter gibt, hat er kein Chance. Die übrige Solistenpersonage ist routiniert bei der Sache, größere Ausfälle sind nicht zu beklagen.

Ein großes Lob dem von Karl-Heinz Werner einstudierten Chor Dem hauseigenen Ensemble hat er die Freizeitsänger vom Chorensemble Köpenick zur Seite gestellt, dem Wohlklang bekam es, wenn man auch sah, wer hier zum Gelegenheitsdarsteller avanciert war

,Das Premierenpublikuni geizte nicht mit Beifall.

GUNTER GORTZ

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