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Thomy ausgepresst
Karlsruher Werk schließt Ende des Monats/Nestlé ignoriert Proteste
Jetzt schlagen die letzten Stunden des Karlsruher Thomy-Werkes, Ende September gehen bei der Nestlé-Tochter endgültig die Lichter aus. Der Arbeitskampf der einst 224 Beschäftigten ist gescheitert.
Die verbliebenen 20 Thomy-Mitarbeiter sind mit Aufräumarbeiten der weitgehend leergeräumten Hallen am Karlsruher Rheinhafen beschäftigt, in denen einst Ketchup, Senf und Soßen hergestellt wurden. Ab 1. Oktober werden sie zusammen mit 90 einstigen Kolleginnen und Kollegen den Gang in die Beschäftigungsgesellschaft antreten. Ganze 12 Personen kamen in anderen Nestlé-Werken unter. »Die übrigen rund 100 Kollegen arbeiten jetzt in anderen Jobs, meist zu schlechteren Bedingungen als hier bei Nestlé«, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Rainer Gerspach. Proteste, Aktionen und Argumente gegen die unsoziale Kahlschlagpolitik des Schweizer Lebensmittel-Konzerns (Jahresumsatz 2000: 97,1 Milliarden Mark) konnten die Entscheidung der Manager im Frankfurter Olymp nicht beeinflussen. Spätestens seit Anfang des Jahres steht fest, dass der Schließungsbeschluss unumstößlich ist. »Persönliche Schicksale spielen für den größten Nahrungsmittelhersteller der Welt keine Rolle«, kommentiert Betriebsrat Gerspach. Schließlich wolle der Konzern auch weiterhin Jahr für Jahr steigende Nettogewinne einstreichen und seine Aktionäre mit immer höheren Dividenden bedienen. Das Versprechen, einen kompetenten Käufer zu finden, der möglichst viele Beschäftigte übernehmen sollte, wurde nicht eingelöst. Die leergefegten Gebäude bleiben vorerst in Besitz der Nestlé-Deutschland AG. Für den baden-württembergischen PDS-Bundestagsabgeordneten Winfried Wolf ist die Schließung des badischen Thomy-Werkes geradezu ein Bilderbuchbeispiel »zum Modell kapitalistischer Globalisierung«. So konnte Nestlé im Jahr 1999 seinen Reingewinn weltweit um 12,3 Prozent auf 4,72 Milliarden Schweizer Franken steigern. Um die Profitabilität noch mehr zu erhöhen, konzentriere der transnationale Konzern wenige Beschäftigte an weniger Orten bei nochmals gesteigerter Produktion. Dass am Karlsruher Standort schwarze Zahlen geschrieben wurden, wie ein eigens erstelltes Gutachten bestätigte, spiele im Zeitalter der Globalisierung keine große Rolle - allein die Gewinnmaximierung zählt. So hat Nestlé die gewinnbringende Produktion von Feinkostsoßen nach Bissenhofen im Allgäu verlagert, andere Linien wurden ins nordrhein-westfälische Neuss verlegt. Für den Betriebsratsvorsitzenden sind aber weitere Gründe für den Ausgang des Konfliktes ausschlaggebend. Der öffentliche Druck sei nicht groß genug gewesen, um den um ein gutes Image bedachten Konzern zum Einlenken zu bewegen; eine Nestlé-Boykott-Kampagne blieb in den Anfängen stecken. »Das waren für den Konzern nur Nadelstiche«, meint Gerspach. Auch die fehlende Solidarität der anderen Standorte wird in Karlsruhe beklagt. Es habe zwar gemeinsame Aktionen gegeben, wie Großdemonstrationen vor der Frankfurter Nestlé-Zentrale, aber der Konzern konnte die Produktions-Standorte gegeneinander ausspielen. Trostpflaster: »Wir haben die Schließung um fünf Monate verzögert und einen guten Sozialplan sowie eine Beschäftigungsgesellschaft bis Februar 2003 herausgeholt«, bemerkt Di...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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