Einfallstor für Rechtsextremismus

Esoterik-Experten warnen vor Verbreitung faschistischen Gedankenguts

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.

Was mit vermeintlich harmlosem Gläserrücken oder Tarot-Karten-Legen anfängt, gipfelt nicht selten in Hingabe an eine Blut-und-Boden- und Herrenmenschen-Ideologie.

Nachdem die meisten rechtsextremen Parteien einen Niedergang erleben mussten, gilt die Esoterik als wichtigster Blockadebrecher der freiheitlich-demokratischen Grundordnung«, sagt Rainer Fromm, der als Kenner der Satanisten-Szene gilt. Der Journalist ist Berater der Hamburger Innenbehörde, die jüngst die überarbeitete Neuauflage ihrer Broschüre »Brennpunkt Esoterik« vorstellte. Sie wurde um Rechtsradikalismus in der Esoterik erweitert. Vom offenen militanten Neonazismus, über den Satanismus mit seiner antijüdisch-antichristlichen und sozialdarwinistischen Ausrichtung, ariosophische Rassenlehren, bis zu antisemitischen Weltverschwörungstheorien - in der Okkultismus-Szene sind so ziemlich alle Facetten des Rechtsextremismus vertreten. »Sehr häufig finden sich Lehren, die bestimmten Bevölkerungsgruppen das Lebensrecht absprechen und die massenhafte Auslöschung von Menschenleben als karmanistische Notwendigkeit propagieren«, berichtete Fromm. So betrachtet der Berliner »Reinkarnationstherapeut« Trutz Hardo die Ermordung von Millionen Juden durch Gas im Nazi-Reich in seinem in Deutschland verbotenen Roman »Jedem das Seine« als »welthistorisches Ausgleichen vergangener Vergehen«. Hardo wurde in der Vergangenheit immer wieder von Fernsehsendeanstalten wie SAT.1 und RTL zu »Massenrückführungen in frühere Leben« eingeladen. Häufig verschanzen sich Neonazis hinter Esoterik, um ihren verfassungsfeindlichen Aktivitäten unter dem Schutz der »Religionsfreiheit« nachzugehen. Esoterik ist der Obergriff für alle Lehren, die suggerieren, sie könnten Zugang zu allem Verborgenen und Unbekannten schaffen. Die Neonazi-Szene habe entdeckt, dass sich die Esoterik- oder »New Age«-Bewegung mit ihrem Irrationalismus, Karma-Denken und ihren dogmatischen Heilslehren als Wegbereiter für autoritäre und rechtsextreme Ideologien eigne, konstatierten die Experten. Zahlenmaterial darüber, wie sich die Verbindung von Okkultismus und Rechtsradikalismus in der Kriminalstatistik niederschlägt, gibt es bisher nicht. »Leider werden die Hintergründe von rechtsextremen Straftaten bei den polizeilichen Ermittlungen nahezu unberücksichtigt gelassen«, bedauerte Ursula Caberta, Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology. Die Esoterik-Experten forderten auch, dass sich der Verfassungsschutz dem Thema verstärkt widmet. Schon die Unmengen an verschwörungstheoretischer Literatur, die in New-Age-Buchhandlungen über den Ladentisch gingen, und die von der NPD wieder entdeckte Traditionspflege neuheidnischer Kultur seien Hinweis genug, warnte Rainer Fromm, »dass die Esoterik derzeit als das gefährlichste Ei...

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