- Kultur
- Vor hundert Jahren wurde Erich Knauf geboren
Hingerichtet für ein paar Witze
Erich Ohser: Porträt Erich Knauf, Federzeichnung, um 1922
Foto: Toepel
Er hätte seinen Freund Erich Knauf immer nur mit Plauen in Verbindung gebracht, schrieb mir Kästner damals in seinem Brief, nie mit Meerane. Aber Knauf wurde heute vor 100 Jahren am 21. Februar 1895 in der Meeraner Philippstraße 3 als Sohn einer Hauswebertochter und eines Schneidermeisters geboren, welcher der SPD angehörte. In Gera lernte er Schriftsetzer. Den Ersten Weltkrieg erlebte er in einer Strafkompanie. 1920 kämpfte er als Stoßtruppführer gegen Kapp und die Reichswehr. Danach schrieb er für die sozialdemokratische Thüringer Presse Theater- und Kunstkritiken. Aus Enttäuschung über die Ergebnisse des Kapp-Putsches und die indifferente Haltung innerhalb der SPD-Führung wechselte er zur USPD über Von 1922 bis 1928 war er Feuilletonredakteur der sozialdemokratischen Plauener „Volkszeitung für das Vogtland“ und leitete von 1928 bis 1933 das Lektorat der Büchergilde Gutenberg in Berlin. Als Ley 1933 die Gewerkschaften zerschlug, ging Knauf von dort weg, weil es unmöglich wurde, sein Programm durchzusetzen, neben Werken der Weltliteratur die Bücher sozialkritischer Autoren zu veröffentlichen. Mehr schlecht als recht lebte er von Zeitungsartikeln.
Als er in dem bissigen Stil, mit dem er schon in Plauen Klein- und Spießbürger erschreckt hatte, eine Kritik über die „Carmen“ : Aufführung der
Deutschen Staatsoper schrieb, zog er sich den Zorn Hermann Görings zu, der Schirmherr der Staatsoper war. Knauf wurde „zu seinem eigenen Schutz“ für zehn Wochen in das KZ Oranienburg verbracht. Danach
erfolgte der Ausschluß aus dem Reichsverband der Deutschen Presse.
Er fristete mit Werbetexten sein Leben, bis ihm die Filmgesellschaft Terra eine Chance als Pressechef bot. Nach einer
totalen Ausbombung wohnte er mit seinem Freund aus der Plauener Zeit, dem Karikaturisten Erich Ohser (Schöpfer u.a. der Bildserie „Vater und Sohn“) zusammen, der sich um ebenfalls überleben zu können - e.o;plauen nennen mußte. Mit ihnen lebte im gleichen Haus ein Hauptmann der Reserve, Bruno Schultz, der vom Ullstein Verlag kam. Der schrieb sich alle politischen Witze und Meinungen zur Reichsführung von Knauf und Ohser auf, die sie. oft bei einem gemeinsamen Gläschen Wein erzählt hatten. Am
28. März 1944 wurden Knauf und Ohser von der Gestapo verhaftet. Am 6. April sprach der Präsident des Volksgerichtshofes, Freisler, auf Betreiben des Reichspropagandaministers Goebbels das Todesurteil über Knauf wegen defätistischer Äußerungen aus. Der ebenfalls zum Tode verurteilte Erich Ohser hatte sich am Vorabend verzweifelt in seiner Zelle das Leben genommen. Erich Knauf wurde am 2. Mai 1944 in Brandenburg-Görden hingerichtet. Erna Knauf, seine ehemalige Sekretärin in der Büchergilde, die er 1938 geheiratet hatte, mußte die Kosten der Verurteilung bezahlen, sogar 12 Reichspfennige Porto für das Übersenden der Rechnung. Goebbels hatte angewiesen, keine Mitteilungen in der Presse über die Hinrichtung zu veröffentlichen. So erfuhr Erna Knauf erst durch den Pflichtverteidiger von dem bereits vollstreckten Todesurteil. Die Hinrichtung hatte „von der Vorführung des Verurteil-
ten bis zur Vollstreckung 7 Sekunden gedauert“...
Geblieben ist sein Werk: Presseartikel, Gedichte, Essays zur Kunst mit seinen leidenschaftlichen Meinungen immer zur Zeit. Die Bücher „Ca irä“, Reportage-Roman über den Kapp-Putsch, „Empörung und Gestaltung“, Künstlerporträts von Dix bis Kollwitz, „Daumier“ und Herausgaben. Im „Daumier“ ist die weltanschauliche Haltung von Knauf wohl am tiefsten ausgelotet. Postum erschienen 1949 in „Das Traumboot“ Gedichte Knaufs mit Illustrationen von Schäfer-Ast.
Während seiner Zeit als Pressechef bei der Terra
schrieb Knauf Texte zu Filmmelodien des ebenfalls in Meerane geborenen Komponisten Werner Bochmann. Ein Text hieß „Heimat, deine Sterne“ Die Melodie stammt aus dem Rühmann-Film „Quax, der Bruchpilot“ Die Nazis machten sie für die deutschen Landser in fremden Landen zu einem Durchhalte-Fronthit, was Knauf und Bochmann, wie letzterer mir in einem Brief mitteilte, nie beabsichtigt hatten.
„Heimat, deine Sterne“ - es hat Knauf nicht das Leben gerettet. Und so verlosch der Stern eines Mannes, von dem Erich Kästner einst schrieb: „Sie können es mir glauben, er war ein prachtvoller Kerl.“
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