Reformator der Chemie

Vor 175 Jahren starb der englische Naturforscher Sir Humphry Davy

Die Liste seiner Entdeckungen und Erfindungen ist lang. Gleichwohl findet der britische Chemiker Humphry Davy in der Wissenschaftsgeschichte nur wenig Beachtung. Wenn überhaupt, dann wird sein Name zumeist in Verbindung mit einer Episode erwähnt, die sich 1812 an der Royal Institution in London zugetragen hat. An dieser mit privaten Mitteln finanzierten Einrichtung zur Förderung und Verbreitung des Wissens lehrte Davy als Professor für Chemie, zu dessen Aufgaben es gehörte, öffentliche Experimentalvorträge zu halten.
Unter seinen Hörern befand sich in jenem Jahr auch der 20-jährige Buchbindergeselle Michael Faraday, der die Vortragsmitschriften zu Hause sorgfältig überarbeitete, mit Abbildungen versah und zusammenband. Anschließend schickte er das Büchlein an Davy, der davon so beeindruckt war, dass er Faraday bereits im März 1813 im Laboratorium der Royal Institution anstellte - und damit den Grundstein legte für dessen einmalige wissenschaftliche Karriere, die in der experimentellen Erforschung des Elektromagnetismus gleichsam kulminierte. Nicht ohne Stolz erklärte Davy später: »Faraday war die größte Entdeckung meines Lebens.«
Am 17. Dezember 1778 in Penzance (Cornwall) als Sohn eines Holzschnitzers geboren, ging Davy nach dem frühen Tod seines Vaters bei einem Apotheker in die Lehre. Er machte schon hier erste chemische Experimente und las jedes wissenschaftliche Werk, dessen er habhaft werden konnte. 1798 übernahm er die Leitung eines Laboratoriums zur Erforschung von Gasen, die er probehalber einatmete. Dabei entdeckte er die narkotisierende Wirkung von Distickstoffmonoxid, das unter der Bezeichnung »Lachgas« später in der Chirurgie zum Einsatz kam.
1801 wurde er auf Initiative des amerikanischen Physikers Graf Rumford an die Royal Institution berufen, wo er sogleich damit begann, die Wirkung der Elektrizität auf chemische Verbindungen zu untersuchen - in der Hoffnung, neue Elemente zu finden. 1807 war er zum ersten Mal erfolgreich. Bei der Elektrolyse von angefeuchtetem Ätzkali entdeckte er das Element »Potassium«, bei der von geschmolzenem Natriumhydroxid das Element »Sodium«. Während beide Ausdrücke in England und den USA bis heute gebräuchlich sind, nennt man die betreffenden Elemente hier zu Lande Kalium und Natrium.
Noch im selben Jahr durfte Davy in London die »Baker-Vorlesung« halten, die nach einem britischen Antiquitätenhändler benannt ist. Dieser hatte 1775 sein gesamtes Vermögen der Royal Society vermacht und bestimmt, dass die Zinsen jährlich demjenigen auszuzahlen seien, der die Öffentlichkeit über eine hervorragende wissenschaftliche Entdeckung informiere. Darüber hinaus führte Davy seinen erstaunten Zuhörern vor, dass die ins Wasser geworfenen neuen Metalle nicht untergingen, sondern auf der Oberfläche hin- und herschossen, um zuletzt als glänzende Tröpfchen zu zerschmelzen.
Mit Hilfe der größten jemals gebauten Batterie - sie bestand aus über 250 Zellen - isolierte Davy 1808 die Elemente Magnesium, Calcium, Barium und Strontium. Später entdeckte er das Element Bor und wies nach, dass Diamant aus Kohlenstoff besteht. Besonders eingehend untersuchte er ein stechend riechendes giftiges Gas, das der schwedische Apotheker Carl Wilhelm Scheele bereits 1774 isoliert und als chemische Verbindung beschrieben hatte, als »dephlogisierte Salzsäure«. Da nach einer damals gängigen Theorie des französischen Chemikers Antoine Laurent Lavoisier alle Säuren Sauerstoff enthalten sollten, versuchte Davy, diesen aus dem Gas auszuscheiden. Nach mehreren erfolglosen Versuchen gelangte er zu der Überzeugung, dass die angebliche Verbindung in Wirklichkeit ein Element ist, das er seiner gelbgrünen Farbe wegen als Chlor (chloros, griech.: gelbgrün) bezeichnete. Außerdem stellte er fest, dass Salzsäure wohl Wasserstoff, aber keinen Sauerstoff enthält, und widerlegte damit die Theorie Lavoisiers.
Auch auf anderen Gebieten der Naturforschung hat Davy bleibende Spuren hinterlassen. So demonstrierte er 1799 den Zusammenhang von Wärme und Bewegung, indem er zwei Eisstücke, die er fest aneinander rieb, zum Schmelzen brachte. Er entdeckte den Lichtbogen, legte die Grundlagen der Katalyse und entwickelte eine Sicherheitslampe für Bergleute. Fast wäre sein Name sogar im chemischen Periodensystem verewigt worden. Doch das von einem deutschen Forscher vermeintlich isolierte Element 43, das dieser »Davium« nannte, war das Resultat einer Fehlmessung.
1812 wurde Davy geadelt. Kurz darauf heiratete er eine reiche Witwe und unternahm mit ihr gemeinsam eine Reise durch Europa, die von London über Paris in die Schweiz, nach Italien und von dort über Tirol, Deutschland und Holland zurück nach England führte. Begleitet wurde das Paar von Faraday, der sich zwar glücklich schätzte, endlich die große wissenschaftliche Welt kennenzulernen, den es aber zugleich betrübte, dass Frau Davy ihn wie einen Dienstboten behandelte.
Später drängte sie ihren Mann sogar, Faradays Aufnahme in die Royal Society zu verhindern, der Davy seit 1820 als Präsident vorstand. Just zur selben Zeit kursierte in London das Gerücht, Faraday habe sich bei der Entdeckung der elektromagnetischen Rotation des Plagiats schuldig gemacht. Obwohl dieser Vorwurf rasch entkräftet werden konnte, stimmte Davy bei der entscheidenden Sitzung der Royal Society am 8. Januar 1824 gegen seinen ehemaligen Schüler. Er blieb jedoch der Einzige, so dass Faraday mit den Stimmen der anderen Mitglieder gewählt wurde.
1827 trat Davy als Präsident der Königlichen Gesellschaft zurück. Bedingt vermutlich durch das ständige Einatmen giftiger Gase, klagte er häufig über Brustschmerzen und Kreislaufprobleme. Er verlegte seinen Wohnsitz deshalb nach Italien, wo er einen schweren Herzanfall erlitt, ...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.