Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Auf der Karriereleiter des Antikommunismus an die Macht

  • Lesedauer: 4 Min.

Die Meinungen über Adenauer und seine Politik waren und sind sehr unterschiedlich. Henning Köhler versteht es als sein Anliegen, das „richtige Adenauer-Bild“ zu zeichnen. Ein löblicher Vorsatz.

Adenauer konnte sehr schnell den Traum seiner Jugend erfüllen: ein angesehener Großbürger mit repräsentativer Villa und Gemäldesammlung zu werden. Köhler nennt auch die Schlüssel zum Erfolg, so die Zugehörigkeit zum politischen Katholizismus, zur Zentrumspartei und sein unerschütterliches Streben zur Macht. Aber auch der familiäre Background ist gewichtig.

Die Wahl zum Kölner Oberbürgermeister war Adenauers erster großer Erfolg. Doch die Freude wurde getrübt angesichts der nahenden Revolution. In der Bildung eines mehr oder weniger unabhängigen Rhein-Ruhr-Staates sah Adenauer „einen Ausweg aus einer hoffnungslos scheinenden Kriegssituation“ Das rheinische Hemd war ihm näher als der gesamtdeutsche Rock. Als die „rote Gefahr“ gebannt war, stand ein neues Avancement ins Haus bzw in die Villa. Adenauer wurde Präsident des Preußischen Staatsrates - und

zum „Alleinherrscher von Köln“ Köhler zufolge gab es in den 20er Jahren in der Stadt nur Adenauer und sonst niemanden. Er beherrschte alles, saß in elf Aufsichtsräten, bezog ein Salär doppelt so hoch wie das des Reichspräsidenten und galt als „Meister der Intrige“ Und doch geriet der Millionär Adenauer 1928/29 in finanzielle Bedrängnis. Die Spekulation mit ausländischen Aktien war in die Hosen gegangen.

Adenauer konnte, wie Köhler resümiert, 1932 „für sich keine Zukunftschance mehr erblicken. Sein Image war hoffnungslos diskreditiert“ Zu diesem Zeitpunkt sprach sich Adenauer für eine Regierungsbeteiligung der Nazis aus, was ihm aber nicht seinen Kölner Amtssessel retten konnte.

Oft wird das Bild vom verfolgten Adenauer gezeichnet. Dies tut Köhler nicht. Während im März 1933 Zehntausende Antifaschisten von den Nazis verfolgt und in Zuchthäuser geworfen wurden, reiste Adenauer unbehelligt nach Berlin, wo er in der Wilhelmstraße 64 die Residenz des Präsidenten des Preußischen Staatsrates bezog. Der faschistische Ministerpräsident Hermanri Göring

Henning Köhler- Adenauer Eine politische Biographie. Verlag Ullstein GmbH/Propyläen Verlag, Berlin/ Frankfurt a.M. 1994. 1324 S., zahlr Fotos, geb., 98 DM.

empfing Adenauer bereits am 16. März 1933. Zu einer Wiedereinsetzung in seinen Kölner Posten verhalf er Adenauer jedoch nicht. Dieser bekam aber bald seine Gehalts- und Pensionsansprüche zu seiner Zufriedenheit geregelt. Ein ruhiges, unbehelligtes Leben war ihm gewiß. „Er war schließlich kein Geächteter, sondern mit Villa und schöner Pension vom Staat versorgter Würdenträger des untergegangenen Regimes“, so Köhler

Adenauer tourte ins Ausland und genoß insbesondere die Schönheiten der Schweiz, als der Krieg schon vor der Türe stand. Köhler hellt auch die Zusammenhänge auf, die Adenauer Ende August 1944 für vier Wochen in ein „Auffanglager“ auf dem Kölner Messegelände brachten und meint: „Es muß überhaupt ein ziemlich fideles Gefängnis gewesen sein, das weit lässiger geführt wurde, als man sich das von derartigen Einrichtungen in

Nazi-Deutschland dieses Jahres vorstellt.“

Sein ausgeprägter Antikommunismus war die Leiter, auf der Adenauer nach 1945 seinen steilen Aufstieg als Vorsitzender der CDU und Kanzler vollzog. „Bei diesem Kölner waren keine Rapallo-Neigungen zu erwarten, keine riskanten Eskapaden, um mit den Sowjets doch noch handelseinig zu werden“ Den Regierungen der Westmächte bot er sich als der einzige Garant dafür an, die Westdeutschen im westlichen Lager zu halten. Von den Ostdeutschen vermittelte er das passende Barbaren-Bild, um die Bedrohungslegende unter die Haut zu reiben - den Westmächten wie auch der westdeutschen Bevölkerung. Die „Volskpolizei der Zone“ und ihre „Angriffspläne“ wurden in den schrecklichsten Farben gezeichnet, um den Widerstand gegen die Westintegrations- und Spaltungspläne zu eleminieren. Köhler sieht in den Westverträgen Adenauers „größte politische Leistung“ Weder das Kabinett noch die Koalitionsfraktionen, geschweige denn das Parlament wurden über den Inhalt der Verträge noch über die Verhandlungen infor-

miert bis alles unter Dach und Fach war

Wie in den 20er Jahren war Adenauer der Alleinherrscher, der keinen Widerspruch duldete, der selbst seine Minister brüskierte und demütigte. Die von Köhler gegebene Darstellung der Verhältnisse im Bonner politischen Machtzentrum ist lesenswert. Der getreue Erhard wie auch der robuste Franz Josef Strauß beklagten sich über Adenauers Führungsstil. Nach dem 13. August 1961 geriet der greise Kanzler immer mehr in die Isolierung. „Es war seine Partei, die seiner überdrüssig geworden war und seine Sprüche nicht mehr hören wollte“, so Köhler. Dies habe letztlich zu seinem Sturz geführt.

Fast bis zu seinem Lebensende (1967) hatte Adenauer jedenfalls der Potsdam-Komplex geplagt, die Befürchtung, das Kriegsbündnis der Alliierten könnte wiederhergestellt und das Potsdamer Abkommen in ganz Deutschland realisiert werden. Im engen Kreis mit Globke, Grewe und Blankenhorn sprach er nicht selten von seiner Sorge, die „Amerikaner könnten mit den Russen Kippe machen“

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal