Behörde provoziert Abschiebe-Grund

Niedersachsen: 100 Flüchtlinge bedroht

  • Reimar Paul, Northeim
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.

Vor dem Bürgerkrieg im Libanon flohen in den 80er Jahren tausende arabischstämmige Menschen in die Bundesrepublik. Sie leben seit Jahrzehnten in Bremen, im Ruhrgebiet oder im südniedersächsischen Landkreis Northeim. Von dort sollen sie jetzt abgeschoben werden - in die Türkei.

Der seit Jahren andauernde Streit im südniedersächsischen Kreis Northeim um eine Ausweisung von mehr als 100 Bürgerkriegs-Flüchtlingen aus dem Libanon hat sich zugespitzt. Die Ausländerbehörde will die betroffenen Familien so schnell wie möglich in die Türkei abschieben und hat nach Berichten der Betroffenen für 22 Personen beim türkischen Konsulat in Hannover bereits Passersatz-Papiere beantragt. Angehörige von zwei Familien seien bereits zwangsweise im Konsulat vorgeführt worden, sagt Volker Nüsse von der Northeimer Initiative Bleiberecht. Zuvor hätten die Behörden die arabischen Namen der Betroffenen in türkische Namen umgeändert. »Diese Menschen müssen jetzt jederzeit mit der Abschiebung rechnen, der Landkreis kann die Passersatzpapiere mit zum Flughafen bringen.« Die Ausländerbehörde wirft den Flüchtlingen vor, sie hätten bei ihrer Einreise nach Deutschland ihre wahre Identität als Türken verschleiert und sich so Sozialleistungen erschlichen. Die Betroffenen stammen von der Arabisch sprechenden Minderheit der Mahalmi ab, die früher im Südosten der Türkei lebte und vor Generationen in den Libanon auswanderte. Diese Darstellung wird durch Recherchen von Anwälten und Flüchtlingsorganisationen gestützt. Andreas Schmidt-Thomßen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Northeim kritisiert, dass die von der Abschiebung bedrohten Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis bekämen. Die Jugendlichen dürften keine Lehre machen, weil die Behörden dagegen intervenierten. Die Flüchtlinge, denen die Aufenthaltstitel und teilweise die deutsche Staatsangehörigkeit wieder aberkannt wurden, erhalten zudem nur reduzierte soziale und medizinische Leistungen. Gegen die geplante Abschiebung haben zahlreiche Organisationen und auch Kirchenvertreter protestiert. Die Grünen im niedersächsischen Landtag sprechen von »Behördenwillkür«. Indem er den Flüchtlingen die Arbeitserlaubnis entzog, habe der Landkreis Sozialhilfefälle gesch...

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