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Lutz Pyritz - aus dem Sattel geworfen

Dem erfolgreichsten ostdeutschen Rennreiter wurde die Lizenz entzogen

  • Lesedauer: 3 Min.

Am Pfingstmontag steht in Hoppegarten das Auktionsrennen auf dem Programm. Im vergangenen Jahr bejubelten die Turffreunde den Sieg von Novice aus dem Stall Wesenitztal mit Lutz Pyritz im Sattel. Es war der erste Erfolg eines in Hoppegarten trainierten Pferdes in einer mit über 100 000 DM dotierten Leistungsprüfung.

In diesem Jahr fehlt der Name von Lutz Pyritz. Der Jockey-Star ist für sechs Monate gesperrt. Pyritz, seit mehr als einem Jahrzehnt die Nummer 1 unter den Rennreitern im Osten Deutschlands, wurde am 19 Mai vom Ordnungsausschuß des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen mit Lizenzentzug bestraft. Er habe am 6. Mai in Magdeburg „grob fahrlässig die Gewinnaussichten seines Pferdes Shalimara nicht wahrgenommen“

Der Vorsitzende des Ausschusses, Freiherr von der Recke, sprach von einer eindeutigen Beweislage. Frank

Breuß, Trainer des besagten Pferdes, äußerte dagegen: „Ich hatte den Eindruck, das Urteil stand von vornherein fest. Von einer fairen Verhandlung kann keine Rede ein.“

Die Videoaufzeichnung läßt nicht zweifelsfrei erkennen, daß sich Pyritz unkorrekt verhalten hat, zumal wenn man seine Reitorder berücksichtigt: „Bleibe hinten, stoße erst auf der Zielgeraden nach vorn“, so Trainer Breuß.

Gewiß: Etwa 200 m vor dem Ziel trieb Pyritz sein Pferd nicht mehr mit aller Kraft vorwärts. Er hat objektiv keine Siegchance mehr. Breuß meint, der Jockey habe sich richtig verhalten. Die Rennleitung in Magdeburg muß die Sachlage zunächst ähnlich eingeschätzt haben. Sie sah keine Veranlassung, Pyritz deswegen zur Ordnung zu rufen.

Tage später bewertete die Kontrollkommission des Direktoriums in Köln die Situation völlig anders (die Kom-

mission betrachtet die Videoaufzeichnungen von allen deutschen Galopprennbahnen). Sie forderte die Magdeburger Rennleitung auf, Anzeige gegen Pyritz zu erstatten. Nach einer Beratung in Hoppegarten am 14. Mai wurde diese formuliert. Mit ungewohnter Eile erfolgte dann die Vorladung vor den Ordnungsausschuß zum 19. Mai. Oder stand der Termin bereits vor der offiziellen Anzeige fest?

Pyritz ist gewiß kein Engel im Rennsattel. Vom Ehrgeiz gepackt, gehen ihm zuweilen die Nerven durch. Er mußte schon mehrfach gemaßregelt werden: wegen übermäßigen Peitschengebrauchs; wegen gefährlicher Reitweise; wegen Nichtwahrnehmung seiner Siegchancen. Da haben die Gralshüter der Rennordnung ein besonders scharfes Auge auf ihn. Doch die Sachlage in Magdeburg ist nicht eindeutig. Wie heißt es so schön in der Jurisprudenz? Im Zweifelsfall für den Angeklagten. Daran

hielt sich aber der Ordnungsausschuß nicht.

In diesem Zusammenhang fällt auf, daß Dopingsünder seitens des Direktoriums mit Sammetpfötehen angefaßt werden. Zum Beispiel Trainer Christian von der Recke, Sohn des Ausschußvorsitzenden, kam wegen Doping-Mißbrauchs mit einer kleinen Geldstrafe und Lizenzentzug auf Bewährung davon.

Für Pyritz bedeutet die 6-Monate-Sperre einen finanziellen Verlust von ca. 25 000 DM. Außerdem ließ Karl Dieter Ellerbracke, der Manager des Gestüts Auenquelle, für den Pyritz als Stalljockey tätig ist, durchblicken, daß er einen Jockey ohne Lizenz nicht braucht. Dies könnte das Aus für seine Karriere bedeuten. Im vergangenen Jahr erreichte Pyritz 76 Siege und stand auf Platz 5 der deutschen Jockey-Bestenliste. Er will mit einem Anwalt in die Berufung gehen. Doch nun läßt sich das Direktorium Zeit. RUDOLF BARRE

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