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  • Kultur
  • Diamanten aus Rom - eine Ausstellung zu Leben und Werk des Regisseurs Federico Fellinrim Potsdamer Filmmuseum

Der rote Wollschal vom Magier des Kinos und des Zeichenstifts

  • Lesedauer: 4 Min.

Marcello Mastroianni und Anita Ekberg in Fellinis „La dolce vita“

Foto: Gruppo Prospettive, Roma

Die Entdeckungen, die Fellini gemacht, und die Antworten, die er gegeben hat, waren nicht immer erbaulich und

hoffnungsvoll. Sie sind aber immer unverwechselbarer Fellini, tragen ein Stück seiner und wohl auch unserer Wirk-

Auch an Federico Fellini, den Magier der Filmkunst, ist der bittere Kelch der Marktwirtschaft nicht vorüber gegangen. Die letzten Jahre seines Lebens fand er keinen Produzenten mehr für einen Film. So war der geliebte Zeichenstift eine Möglichkeit künstlerischen Ausdrucks. Zusammen mit dem Comic-Zeichner Manara erzählte er in Bildgeschichten mit Sprechblasen die Filme „Die Reise nach Tulum“ und „Die Reise des G. Mastorna“ Im Herbst 1993, nach zwei Schlaganfällen, starb der Regisseur aus Rimini qualvoll. Fünf Monate später folgte ihm seine Frau Giulietta Masina.

Als zweite'Station auf ihrer Tour um die Welt ist im Filmmuseum Potsdam eine Ausstellung zu sehen, die auf Initiative der Erben zustande gekommen ist und vordem- in Rom für Aufsehen sorgte. In einer multimedialen Vision reflektiert sie umfassend Leben und Werk des Regisseurs. Die Potsdamer Ausgabe ist nicht von gleicher Opulenz wie die römische Version. Nachdem die Babelsberger Studiotour aus finanziellen Gründen und mit der Bemerkung, die Ausstellung trage weitgehend musealen Charakter, aus dem gemeinsamen Unternehmen mit dem Filmmuseum ausgestiegen war, sind die 2 000 Quadratmeter des Originals auf 300 Quadratmeter geschrumpft und ausschließlich im Filmmuseum zu sehen.

„Wir mußten reduzieren, aber wir haben die Diamanten aus Rom bekommen“, so Bärbel Dalichow, Leiterin des Potsdamer Filmmuseums. Wichtig ist auch, daß alle Filme Fellinis in restaurierten Kopien zu sehen sind, original mit englischen Fußtiteln.

In Italien hatte es nicht an Sponsoren gemangelt, der Staat, das Fernsehen, Städte und Privatpersonen unterstützten das Projekt, den Regisseur mit einer Ausstellung zu ehren. Sogar die römische Milchzentrale beteiligte sich. Dort erinnerte man sich noch gut daran, daß Fellini 1961 in einer Episode von „Boccaccio 70“ die üppige Anita Ekberg mit mächtigem Dekollete vor einer Reklametafel mit der Inschrift „Trinkt Milch und ihr bleibt gesund“ agieren läßt.

Obwohl einiges von dem, Was das Filmmuseum bis zum 25. Juni bietet, schon aus Büchern und Bildbänden bekannt ist - Originalen gegenüber zu stehen, ist doch ein besonderes Erlebnis. Das gilt besonders für die Karikaturen und Zeichnungen sowie die Blätter aus dem „Tagebuch der Träume“ Fellini hatte seit den sechziger Jahren, auf Wunsch eines Psychoanalytikers< seine Träume aufgezeichnet, die sich als bizarre optische Psychogramme darbieten. Seine Sehnsüchte und geheimen Wünsche materialisierten sich in den Zeichnungen und den Filmen - eine imaginäre Bilderwelt.

lichkeit in sich. Über sich wußte er zu sagen: „Sex, Zirkus, Kino und Spaghetti waren die ersten Dinge, die mich beeinflußten, den Geschlechtstrieb entdeckte ich ganz allein, ich kann mich gar nicht erinnern, sexuelle Gefühle irgendwann nicht gespürt zu haben.“ Seine Filme erzählen davon. Das hat dem gläubigen Katholiken harsche Kritik der römische Kurie eingetragen, der zum Beispiel erotische Sequenzen im Film „Das süße Leben“ zu weit gingen.

Der Regiestuhl Fellinis ist im Potsdamer Marstall zu sehen, sein roter Wollschal, sein Hut und das rote Megaphon, mit dem er bei Massenszenen die Komparserie dirigierte. Das Kostüm den Masina aus dem Film „Die Nächte der Cabiria“, mit dem zerschlissenen Umhang aus Straußenfedern, ruft das Bild der armen, geschundenen römischen Prostituierten in Erinnerung. Nicht weit entfernt, was für ein Kontrast, die prunkvollen Gewänder der Kardinale aus „Roma“ Dann der schmale Rock, das gestreifte Shirt, die dunkelbraune Pelerine der Gelsomina aus „La Strada“ und der Frack des Fred (Marcello Mastroianni) und das duftige weiße Kleid der Ginger (Giulietta Masina) aus „Ginger und Fred“, einem der bittersten Filme Fellinis. Fotos dokumentieren die biographischen Stationen des Regisseurs. Wer noch nie Gele-

genheit hatte, einen „Oscar“ im Original zu sehen - im Potsdamer Filmmuseum steht der vergoldete Glatzkopf, den Fellini für „La Strada“ erhalten hatte.

Warum Fellini, warum Fellini in Potsdam? - Bärbel Dalichow „Was tun in Deutschland zu 100 Jahre Kino? Das amerikanische Kino wird im Mittelpunkt stehen, das macht die Besucherzahlen. Charlie Chaplin ist der Größte aller Zeiten. Das arme kleine Europa hat schwer zu tun, um seinen Platz in der Kinowelt zu halten, tut es im Grunde nicht, aber vielleicht wird es mal wiederbelebt. Da dachten wir, der größte europäische Kinozauberer, das ist Fellini, vielleicht sollten wir den ehren.“ Das ergab dann Kontakte zu den Organisatoren der italienischen Ausstellung, man war sich sympathisch, die Beziehungen hatten Bestand, auch noch, als Bonn mit weitaus höheren finanziellen Angeboten die Ausstellung an den Rhein ziehen wollte. Klingt einfach und schlüssig und war doch sicher ein wenig komplizierter und aufreibender Aus Potsdam geht die Ausstellung dann in die USA, nach Tokio und nach Paris.

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