Versteckspiel mit dem Eigensinn

Zum 60. Geburtstag von Karin Gregorek

  • Christoph Funke
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Wenn Karin Gregorek als streng und eigensinnig, als widerspenstig und auch als rechthaberisch beschrieben wird, dann stimmt das durchaus. Und ist auch wieder ganz falsch.
Die Schauspielerin verbirgt hinter dieser rauen Schale einen spöttischen Humor, der mit dem Eigensinn und der Widerspenstigkeit ganz souverän umgeht. Sie betreibt ein Versteckspiel besonderer Art. Das impertinent Lehrerhafte beruht bei ihr auf einer hinreißenden Naivität, das Verschrobene auf einer beinahe schüchternen Anmut. In dieser Art baut sie auch ihre Figuren. Sie will die außerordentliche, die tadellose Leistung, sie besteht auf handwerklicher Meisterschaft, und holt sie aus unermüdlicher, zäher Arbeit. Aber keiner ihrer Rollengestaltungen ist Angestrengtes, gar Trumpfendes anzumerken. Verschrobenheit, und leise überdrehte Damen hat Karin Gregorek gern und oft gespielt, zeigt sie mit einer schwebenden Musikalität, mit Spaß, auf den man sich freilich einlassen muss. Wirkung um der Wirkung willen gibt es da nicht.
Die Schauspielerin braucht poetisch dichte Texte, gute Drehbücher, um das Vergnügen an der Widersprüchlichkeit besonderer Frauenspersonen entdecken und an die Zuschauer weitergeben zu können. Der Spaß muss seinen Hintergrund haben, seinen geistigen Nährboden, mit ihm muss man souverän und zugleich spielerisch umgehen können. In Peter Hacks hat Karin Gregorek den Dichter gefunden, der ihrem großen schauspielerischen Talent in ganz besonderer Weise entspricht. Viele seiner Figuren hat sie gespielt, viele seiner Stücke inszeniert - zwischen Text und Spiel gab es da immer eine Initialzündung.
Geistige Gelenkigkeit, wie sie der Dichter herausfordert, souverän, hintergründig und doch wie absichtslos, kam auf der Bühne zum Leben, als sinnliches Angebot für den überlegenen Umgang mit Menschen, ihrer Geschichte und ihren Geschichten. Solche Gelenkigkeit ist wohl aus der Mode gekommen, das Theater liebt heute stärkeres Gebräu. Deshalb gibt es auch für Karin Gregorek die Angebote, die sie braucht, kaum noch.
Aber wenn sie zu sehen ist, und sei es in der »Schwester-Stefanie«-Serie des Fernsehens, dann steht sie im Mittelpunkt. Als eine überkandidelte Adelsfrau beispielsweise, die vor lauter Stolz in säuerliche Rechthaberei zu kippen droht, dann aber erwacht zu einem unwiderstehlichen Charme, zu überwältigender Freundlichkeit und geradezu stürmischem Temperament.
Solche Rollen braucht die Gregorek, das Theater scheint sie nicht mehr für sie zu haben. Und ihre Zuschauer müssen auf das Vergnügen verzichten, mitzuerleben, wie Starrheit und Distanz einer »Dame« schmelzen können, wie Ironie sich Bahn bricht und Verstiegenheit sympathisch wird.
Heute hat Karin Gregorek Geburtstag - deshalb der Reihe nach. In Wendorf geboren, studierte sie an der Berliner Schauspielschule und kam dann über Altenburg, Dessau, Erfurt 1970 ans Berliner Maxim Gorki Theater, dessen Ensemble sie bis 1991 angehörte. Ein geradliniger Weg, und doch ein besonderer. Die Schauspielerin brillierte nicht in großen klassischen Rollen - die Franziska in Lessings »Minna von Barnhelm« (1972) war da eher eine Ausnahme. Ihre Liebe galt von Anfang an Frauenfiguren der zeitgenössischen Dramatik. Sie spielte in Stücken von Claus Hammel, Rainer Kerndl - und eben Peter Hacks.
Der nachhaltigste Erfolg war ihre Frau von Stein (»Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe«) im Maxim Gorki Theater (1976). Ein Monolog - aber welches sprühende Leben gewann er, welche Frische und impulsive Sinnlichkeit! Karin Gregorek hatte die Philosophie der dramatischen Rolle entdeckt. Nichts anderes sieht sie als ihre Aufgabe an - nur wenn diese Entdeckung gelingt, wird der Schauspieler zum schöpferischen Künstler. So sagte sie es einmal in einem Interview, vor fast einem Vierteljahrhundert. Es gilt noch heute.

Über den ND-Videoservice sind die DEFA-Spielfilme mit Karin Gregorek »Einer trage des anderen Last«, »Dein unbekannter Bruder« und »Die Flucht« bis zum 10.10.01 zum Subskriptionspreis von jeweils 24,95 DM zu b...

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