• Frauen-Geschichte(n)

Die rote Marie

  • Martin Stolzenau
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Die Zufallsbekanntschaft mit einer Worpswederin führte den Kunststudenten Fritz Mackensen 1884 erstmals in das abgelegene Dorf im Teufelsmoor bei Bremen und zur Begründung der Worpsweder Malerkolonie, zu der auch Heinrich Vogeler gehörte. Dieser wagte auf seinem ausgebauten Barkenhoff mit Kommune und Arbeitsschule ein reformpädagogisches Experiment, das sich 1918 zu einem Magneten für progressive Künstler mauserte. Zu seinen engsten Mitstreitern gehörten Walter Hundt, ein enttäuschter Weltkriegs-Leutnant, und Marie Griesbach (1896-1984). Die in Dresden als Tochter eines Schmiedes und Sozialdemokraten geborene naturverbundene junge Frau mit poetischen Neigungen hatte sich während des Ersten Weltkrieges zu einer Wortführerin der Dresdner Arbeiterjugend entwickelt. 1917 wurde sie »wegen Hoch- und Landesverrat« zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Haftzeit im Frauengefängnis von Delitzsch nutzte sie zur autodidaktischen Weiterbildung. Nach der Amnestie im Herbst 1918 sprach sie in vollen Sälen über die Notwendigkeit von »Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit«. Als sie mit einer Gruppe der Dresdener Arbeiterjugend im April 1919 in Bremen weilte, lernte sie Heinrich Vogeler kennen und ging mit ihm nach Worpswede. Vogeler malte ihr Porträt. Wegen ihrer roten Haare und Gesinnung erhielt das Bild den Namen »rote Marie«, ein Beiname, der ihr blieb. Als Vogeler das Barkenhoff-Projekt in ein Dienstverhältnis zur Roten Hilfe verwandelte und auf Selbstbestimmung verzichtete, entschlossen sich Marie und Walter Hundt 1924, selbst Siedlungsland am Fuße des nahen Heymelberges zu erwerben, im anthroposophischen Sinne zu kultivieren und sich zugleich eine Idylle zu schaffen: Sie dichtete, er malte. Den Nazis waren sie verdächtig. Sie wurden observiert und wiederholt verhört. Die »rote Marie« sagte »Guten Morgen« statt »Heil Hitler«, hatte für Fremdarbeiter ein Herz und hieß den NS-Ortsgruppenführer öffentlich einen Lumpen, was ihr ein Verfahren eintrug. Walter Hundt überlebte d...

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