Kasernen weichen neuem Wohngebiet
In Rummelsburg wird ökologischer Abriß geprobt / Chance für ABM-Kräfte
Auf beiden Seiten der Rummelsburger Bucht wird jetzt gebaggert: Nachdem auf der Halbinsel Stralau bereits die CONCORDIA Bau und Boden AG mit dem Bau von 130 Wohnungen begonnen hat und die VEBA-Immobilien AG im Herbst mit dem Baustart für 700 Wohnungen nachzieht, begann jetzt am Rummelsburger Ufer in Lichtenberg der Abriß der ehemaligen Grenzer-Kasernen. Auf dem Gelände zwischen Rummelsburger See und Hauptstraße sollen bis Ende 1997 rund 1000 Wohnungen, vier Kitas, zwei Schulen, eine Seniorenfreizeitstätte, Sportanlage und Park entstehen.
Dafür müssen die 65 zumeist Plattenbauten, in denen die Grenzschützer und ihr Gerät einquartiert waren, weichen. Lediglich die beiden denkmalgeschützten „Knabenhäuser“ von 1856, die aus jener Zeit
übrig blieben, da hier das Friedrichswaisenhaus angesiedelt war, werden erhalten und zu Kitas umgerüstet. Für Abriß und Entsorgung hat sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz ihrer ökologischen und arbeitsmarktpolitischen Verantwortung entsonnen, wie Staatssekretär Wolfgang Branoner gestern herausstellte: Das Abbruchmaterial wird nicht einfach auf die Deponie gekippt, sondern getrennt erfaßt, aufgearbeitet und der Wiederverwendung zugeführt. Und das vorrangig von ABM-Kräften. Selektiver Rückbau heißt das Zauberwort.
170 zumeist Langzeitarbeitslose werden für die Abbrucharbeiten eingesetzt. Derzeit sind sie bereits dabei, die aus den Gebäuden geborgenen Innereien nach Kunststoffen, Aluminium, Eisen usw. zu sortieren. Erst die entkernten
Bauhüllen werden dann mit schwerem Gerät zerlegt, der Schutt, der per Schiff abtransportiert wird, zu Baumaterial Anzeige
z.B. für den. Straßenbau weiterverarbeitet. Mindestens 75 Prozent des Materials will Branoner auf diese Weise „modellhaft ausknautschen“. Das komme zwar 25 Prozent teurer, sei aber ein ökologisches Gebot der Stunde. „Wir wollen auch den anderen Bauherren zeigen, daß es geht.“
Fünf Millionen Mark kostet das Abräumen des Geländes, wovon Berlin nur 25 Prozent übernehmen muß, das Übrige steuern die Bundesanstalt für Arbeit und der Treuhandnachfolger BVS bei. Neben den 170 Sortierern soll erstmals über § 249 h ein Dienstleistungsprojekt gefördert werden, bei dem sich 95 arbeitslose Akademiker mit dem Bauabfall in ganz Berlin beschäftigen. Hier könnte ein ganz neues Berufsbild des Bauabfallberaters entstehen, glaubt Branoner. Er sieht die ABM-Projekte als Chance zur Qualifizierung und zum Wiedereinstieg in den normalen Arbeitsmarkt. Regine Adolphes, einst Gütekontrolleurin bei Secura und jetzt mit dem Zerlegen von Leuchtstofflampen beschäftigt, fände das toll, ist aber eher skeptisch: „Wer braucht denn das, was wir hier machen.“
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