Dorf geht trotz Staatsbesuchs baden

Ab Ende 2005 nutzt die Bundesregierung Schloss Meseberg als Gästehaus / Kanzler schaute vorbei

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Die steilen Ufer sind von Bäumen und Sträuchern eingefasst. Den See sieht man erst, wenn man unmittelbar davor steht. Der Anblick ist überraschend in der platten Landschaft südwestlich von Gransee. Verträumt liegt er da, der Huwenowsee. Das Schloss Meseberg am Nordufer sollte schon vor Jahrzehnten Gäste beherbergen. 1972 erhielt die Akademie der Wissenschaften der DDR das Gebäude, um es als Gästehaus herzurichten. Doch daraus wurde nie etwas. Jetzt setzt die Bundesregierung den alten Plan um, worüber sich Kanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern bei einem Besuch vor Ort informierte. 80 der 160 Einwohner von Meseberg begrüßten den Kanzler, der von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) begleitet wurde. Ab Herbst 2005 will die Bundesregierung in zwölf Apartments auf Schloss Meseberg Staatsgäste unterbringen. Dafür übernimmt sie Schloss Meseberg für einen Euro von der Münchner Messerschmitt-Stiftung. Die Stiftung geht zurück auf den Flugzeugkonstrukteur Willi Messerschmitt (1898-1978). Der entwarf im Zweiten Weltkrieg Kampfflugzeuge, mit denen Nazideutschland Tod und Zerstörung in fast alle europäischen Länder trug. Mit der Me262 entwickelte Willi Messerschmitt das erste Düsenflugzeug der Welt. 1969 gründete der Konstrukteur und Rüstungsfabrikant die Stiftung. Diese kaufte 1995 das verwahrloste Schlossareal und steckte 16 Millionen Euro in die Sanierung. Nächstes Jahr soll auch der Innenausbau geschafft sein. In Bonn schliefen Staatsgäste einst auf dem Petersberg. Seit die Regierung nach Berlin zog, kommen Staatsgäste im dortigen Nobelhotel Adlon unter. So wäre es vermutlich immer weitergegangen. Doch Hans-Heinrich von Srbik, der Vorstandschef der Messerschmidt-Stiftung, trug der Regierung das barocke Kleinod am Huwenowsee an. Dessen Renovierung hatte begonnen, lange bevor die künftige Nutzung in Sicht war. Das alte Dorf Meseberg ist einer von 15 Ortsteilen der Stadt Gransee. Ortsbürgermeister Alois Demuth (parteilos) ist froh, dass aus dem »Prunkstück« endlich etwas gemacht wird. »Irgendwann wäre das Schloss sonst zusammengefallen«, meint er. Es heißt, die Meseberger seien skeptisch. Generationen hätten im Huwenowsee das Schwimmen gelernt. Dies sei nun nicht mehr möglich, weil mit dem Gästehaus der einzige Zugang zum See versperrt werde. »Unsinn«, dementiert Ortsbürgermeister Demuth. Die Badestelle am Schloss dürfe weiter benutzt werden. Falls aus Sicherheitsgründen doch mal abgesperrt werden müsse, gebe es eine Ausweichmöglichkeit. Die Messerschmitt-Stiftung bezahle den Bau einer neuen Badestelle. Für den Prachtbau sind indirekt die Hohenzollern verantwortlich. Ein königlicher Befehl verlangte von jedem Adligen von Rang und Vermögen, ein Palais in der Berliner Wilhelmstraße zu errichten, wie Theodor Fontane in seinen »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« schrieb. Dem sei nur entkommen, wer nachwies, auf seinen ländlichen Besitzungen einen ähnlich stattlichen Bau auszuführen. Der Sage nach habe Hermann Graf von Wartensleben Schloss Meseberg nur deshalb bauen lassen. Dies habe den Kavallerie-Oberst 1738/39 »eine Tonne Geld« gekostet. Ab 1774 steckte Christian Ludwig von Kaphengst Unsummen in den Ausbau. Wieder war ein Hohenzoller im Spiel, diesmal Prinz Heinrich, der Bruder von König Friedrich II. Major von Kaphengst diente als Heinrichs Adjutant. Er genoss den Status eines Günstlings an dem Hof, den der Prinz im nahen Schloss Rheinsberg hielt. Fontane geißelte den Major für dessen »Habsucht«, »Eitelkeit« und »Verschwendungssucht«. Als Friedrich II. vom wüsten Treiben des Majors in Rheinsberg erfuhr, habe er seinen Bruder Heinrich angewiesen, »dass er den Major von Kaphengst entlassen möge«. Daraufhin habe der Prinz seinem Günstling die Rittergüter Meseberg, Baumgarten, Schönermark und Rauschendorf gekauft und ihn regelmäßig auf Schloss Meseberg besucht. Erst 1798 verlor der Major die Gunst und damit die finanzielle Unterstützung des Prinzen. Er musste Schönermark und Rauschendorf verkaufen. Der Major soll beide Güter in einer Nacht verspielt haben. Er starb 1800 in Meseberg. 1885 gelangten Nachfahren des Dichters Gotthold Ephrahim Lessing in den Besitz des Schlosses. Nach 1945 befanden sich in dem Gemäuer ein Kindergarten, eine Kneipe, eine Küche der LPG und das Büro des Bür...

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