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  • Kultur
  • „Engel der Empörung“ - Erinnerung an Oda Schottmüller

Spurensicherung in Bildern und Tönen

  • Horst Knietzsc
  • Lesedauer: 3 Min.

Ungewöhnliche Uraufführung in einem der karg ausgestatteten Kinosäle der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Berliner Stauffenbergstraße. Sven Stäglich stellte seinen Film „Engel der Empörung“ vor, eine Produktion der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg.

Spurensuche nach der Tänzerin und Bildhauerin Oda Schottmüller, die am 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Mit ihr starben am gleichen Tage 16 Gleichgesinnte unter dem Fallbeil der faschistischen deutschen Justiz: Liane Berkowitz, Cato Bontjes van Beek, Eva-Maria Buch, Hilde Coppi, Ursula Goetze, Emil Hübner, Wolter Husemann, Else Imme, Anna Krauss, Adam Kuckhoff, Ingeborg Kummerow, Klara Schabbel, Rose Schlösinger, Marie Terwiel, Frida Wesolek, Stanislaus Wesolek. Sie gehörten zur Schulze-Boysen/Harnack-Organisation, die innerhalb der „Roten Kapelle“ gegen

den deutschen Faschismus gekämpft hatte. Ihr Scharfrichter war ein Fleischermeister. „Im Namen des Volkes“ erhielt er für jeden Kopf 30 Mark.

Mit dem Gedenken an Männer und Frauen, die unter dem Beil der Nazis ihr Leben gelassen haben, ist man heute in Deutschland sparsam. Der Pflichtteil wird besorgt, an Gedenktagen offiziell eine ernste Miene dazugelegt. Handelt es sich bei den Opfern um Kommunisten und ihnen nahestehende Personen, wird auch schon mal wieder selektiert. Allein schon aus diesem Grunde verdient dieser Hochschulfilm öffentliche Aufmerksamkeit.

Sven Stäglich hat kein Werk nach den strengen Regeln des klassischen Dokumentarfilms geschaffen. „Engel der Empörung“ ist der Versuch einer Annäherung in Bildern (Kamera: Frank Schulte, Rene Jung) und Tönen, ein in Teilen auch spröder Essay um eine sensible junge Frau, die sich nicht durch

Schweigen und ein angepaßtes Leben am faschistischen Terror mitschuldig machen wollte. Nur wenige Zeitdokumente von der Tänzerin und Bildhauerin sind erhalten geblieben, die mit Klaus Mann an der gleichen Schule ihr Abitur machte. Nach ihrer tänzerischen Ausbildung gastierte die Schottmüller in Gdansk, Frankfurt, Jerusalem, Grosny, Paris, Sarajevo, Berlin. Anfang der vierziger Jahre wird es ihr in Deutschland immer schwerer gemacht, den Ausdruckstanz zu pflegen.

Tänze, in der Exposition des Films ein wenig mystisch angelegt, Masken, Skulpturen dienen als Medien, um den ästhetischen Vorstellungen Oda Schottmüllers nahezukommen. Und es ist auch Arila Siegert, die der Tradition des Ausdruckstanzes verpflichtet ist, und den mitwirkenden Tänzern und Tänzerinnen zu danken, wenn in dem Film Ausdruckstanz und Oda Schottmüller zu einer Einheit verschmelzen.

Berührend, was der Komponist Kurt Schwaen aus persönlicher Zusammenarbeit mit Oda Schottmüller und aus gemeinsamem antifaschistischem Kampf vor der Kamera zu sagen weiß, über die Verbindung ihrer Tänze mit Barlachschen Formen, ihre Bemühungen, sozialkritische Tänze zu gestalten, über ihr bildhauerisches Werk. Ina Ender, damals mitangeklagt, hat sich mit Odas Mutter und dem Gefängnispfarrer von Plötzensee dafür eingesetzt, die Erinnerung an Oda Schottmüller wachzuhalten. Mit Sorge beobachtet sie heute die Bestrebungen, aus politischen Motiven Teile des deutschen Widerstandes auszugrenzen.

Filme dieser Art sind rar in der deutschen Kinolandschaft. Stäglichs Film, von dem zu hoffen ist, daß er zu einem größeren Zuschauerkreis und ins Fernsehen findet, ist ein Baustein gegen das Vergessen.

HORST KNIETZSCH

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