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,Das ist der Anfang vom Ende des Theaters'

Weiterhin keine Zukunft für den Potsdamer Opernchor, der 1996 aufgelöst werden soll

  • Lesedauer: 3 Min.

Die offensichtlich unaufhaltsam fortschreitende, stückweise Demontage der Potsdamer Kulturszene ging Montag abend in eine weitere Runde. Es scheiterte ein Runder Tisch zur Rettung des Potsdamer Opernchores an der - von leeren Kassen diktierten - Kompromißlosigkeit von Stadt und Land. Chor-Obmann Andreas Bohn sowie die Führungscrew des Hans-Otto-Theaters, zu der das aus 23 Berufssängern gehörende Ensemble noch gehört, Theater-Intendant Stephan Märki und Theaterdirektor Lutz Dünnwald luden Potsdams OB Horst Grämlich sowie Kulturminster Steffen Reiche zum Gespräch.

Auf dem Tisch lag dabei ein sechsseitiges Konzept des Chor-Vorstandes. Es hatte zum Ziel, die unlängst von der Stadt ausgesprochene Auflösung des Opernchores zum Ende der Spielzeit 1996 doch noch ab-

zuwenden. Denn hauptsächlich aus finanziellen Gründen

- Potsdam will auf diese Weise seinen Kulturetat um 1,5 Millionen Mark im Jahr entlasten

- hatte Grämlich unlängst den 23 Sängern gekündigt bzw. ihre Zeitverträge nicht verlängert. Auch hieß es, die neue Musiktheater-Konzeption mit Schwerpunkt Kammeroper brauche keinen professionellen Opernchor diesen Umfangs

mehr.

„Das ist der Anfang vom Ende des Hans-Otto-Theaters“, resümierte Chor-Obmann Bohn die mehrstündige, fruchtlose Diskussion. Das Treffen sei „enttäuschend“ gewesen und das Rettungs-Konzept der Chorvertretung vom Tisch gewischt worden. „Die Stadt Potsdam wäre somit die erste Landeshauptstadt unseres Kulturkreises ohne funktionierendes Musiktheater“, so Bohn. Denn dieses setze sich

ja bekanntlich aus Orchester, Solistenensemble und Berufschor zusammen. Die Folge sei die kulturelle Verarmung der Stadt und der Region.

Hinzu kämen unvertretbare soziale Härten. Aufgrund der hohen Spezialisierung des Berufes „Opernchorsänger“ sei es vor allem für die über 40jährigen Kollegen fast unmöglich, anderswo ein Engagement zu finden. Potsdam könne sich schon darauf einstellen, daß diese als Sozialhilfeempfänger dann in ein bis zwei Jahren die Stadtkasse erneut belasten würden. Unterstützt von der IG Medien will der Opernchor nun geschlossen den Weg der Klage gehen. Obmann Bohn gab sich am Montag sicher, damit auch durchzukommen. „So schnell kriegen die uns hier nicht weg“.

Das von Reiche und Grämlich nicht akzeptierte Konzept

listete sieben Möglichkeiten zum Weiterbestehen des Chores auf. Darunter die Angliederung an die Brandenburgische Philharmonie oder das Zusammengehen mit den Opernchören des Staatstheaters Cottbus beziehungsweise der Drei-Spartenbühne von Brandenburg/Havel. Auch an die Überführung in einen Landeschor oder an die Verschiebung des Aufgabenschwerpunktes vom Opernzum Konzertchorgesang hatte man gedacht.

Von der drohenden Auflösung des Chores sind auch andere Brandenburger Bühnen betroffen. So mußte das Staatstheater Cottbus die geplante Produktion von Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ vom Spielplan wieder streichen, da die Potsdamer Sänger als Kooperationspartner ausfielen.

ERNST ESPACH

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