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Judith Demba als Olympiade-Teilnehmerin geoutet

CDU und SPD fuhren im Untersuchungsausschuß eine Retourkutsche gegen die NOlympiabewegung

  • Lesedauer: 3 Min.

Fünf parlamentarische Untersuchungsausschüsse hatte sich das Abgeordnetenhaus zugelegt. Jener, der auf Antrag von Bündnis 90/Die Grü* nen, PDS und FDP Licht ins kostspielige Bewerberdunkel „Olympia 2000“ bringen soll, arbeitet noch immer.

Am Mittwoch folgte nun bis in den späten Abend die lang vorbereitete „Retourkutsche“ von CDU und SPD, wie Steffen Zillich (PDS) meinte. Die Koalitionäre wollten ergründen, was die NOlympiabewegung für Steuergelder verschlungen habe, wofür als Wahlkampfmunition Judith Demba (Bündnis 90/Die Grünen) ins Kreuzverhör genommen wurde. So erlebten die Beobachter ein achtstündiges „Gesinnungstheater von Laienjuristen“, wie Rechtsanwalt Volker Ratzmann anmerkte. Schwer zu sagen, ob man lachen oder weinen sollte. Etwa als die CDU

forschte, ob Frau Demba selbst einmal an einer Olympiade teilgenommen hat. „Ja, an der Mathe-Olympiade“ habe sie sich zu DDR-Zeiten versucht.

Doch das waren die harmlosen Stümpereien von Möchtegernermittlern, bei dem CDU-Sprecher Steffel als profilneurotischer Anwalt einem USA-Gerichtskinoschinken entsprungen schien. In seinem Drang, der NOlympia-Sprecherin einen Hang zur Gewalt anzulasten, scheute Steffel selbst davor nicht zurück, mit Zeugenaussagen zu jonglieren, die nie gemacht wurden. So berief er sich auf den Staatsschutz, der Frau Demba als „politischen Kopf auch der illegalen Antiolympiabewegung bezeichnet“ habe. Was der Leiter des polizeilichen Staatsschutzes, Dieter-Helmut Piete, so nicht getan hatte, wie auch die Aussagen von Gernot Pie-

stert, Chef der Landesschutzpolizei, stets auf die Formel hinausliefen: In der Regel hätte alles so sein können, doch konkret wisse er es auch nicht.

Speziell ging es um die NOlympia-Demonstration am 18. April 1993. Im Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz war diese „weitgehend“ und in der Erinnerung des Polizei-Vize Dieter Schenk „im großen und ganzen friedlich“ verlaufen, während der Chef der Schutzpolizei von „in großen Teilen unfriedlich“ sprach. Für die CDU schien jedoch klar, daß da nur der Pöbel marschiert sein konnte, um das Image Berlins zu diskreditieren. Nur beweisen ließ sich halt nichts.

Ausschußvorsitzender Jürgen Lüdtke (SPD) war indes eifrig bemüht, Polizeikräfte mit deren Gehältern und Einsatzstunden zu multiplizieren. Her-

aus kam ein Millionenbetrag, den die NOlympiabewegung im allgemeinen und die Demba im besonderen die Stadt gekostet habe. Was Lüdtke zu dem Schluß führte, daß „Aufzüge“, wie Demonstrationen im Polizeideutsch heißen, immer Belastungen für die Stadt sind und schon deshalb fragwürdig seien.

Auch die Ausführungen der oberen Ordnungshüter Berlins waren nicht ohne Merkwert. Selbstverständlich hätten der Verfassungsschutz und die Polizei ihre Späher bei einem Vorbereitungstreffen für die umstrittene Demo gehabt, plauderte Staatsschutzchef Piete. Selbstverständlich seien im Demo-Zug Polizisten in Zivil mitmarschiert, wußte Gernot Piester. Selbstverständlich habe man Ermittlungsdaten nach Monaco gefaxt, als die Stunde der IOC-Entscheidung nahte,

brüstete sich noch einmal Piete. Zur Erbauung tischte er den Abgeordneten gleich noch eine Schlapphut-Story auf. So sei man in Monaco einem verdächtigen taz-Redakteur auf die Spur gekommen, der in einem nicht minder verdächtigen Hotel Quartier genommen hatte und in der NOlympiabewegung mit dem noch verdächtigeren Code-Namen „Großmutter“ gehandelt wurde.

Allerdings habe man den monegassischen Kollegen auch Olympia-Gegner avisiert,

räumte Piete ein, die in Wirklichkeit Fans der Berliner Bewerbung gewesen waren. Vielleicht wurde seinerzeit auch deshalb Schwimmerin Franziska van Almsick kurzfristig aus dem Verkehr gezogen und nicht, weil sie eine gewaltverdächtige Jacke trug?

RAINER BRANDT

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