Erfurt: In den Landtag nur durch die Hintertür
Landtagsverwaltung spart »strikt« Wachleute ein
Der Thüringer Landtag soll nach dem Willen seiner Verwaltung für Besucher nur fortan noch durch die Hintertür zugänglich sein.
Es sei ein »Erfordernis strikter Sparsamkeit«, den Haupteingang des Landesparlaments dauerhaft zu schließen, hieß es in einer in Erfurt mit Kopfschütteln aufgenommenen Hausmitteilung der Landtagsverwaltung. Der Vorstand sei überein gekommen, am 16.August den Eingang zu schließen und nicht mehr mit Werkschutzfachkräften zu besetzen. Als Begründung muss das »deutlich veränderte Zutrittsverhalten« von Abgeordneten, Besuchern und Bediensteten herhalten, die seit der Errichtung des neuen Funktionsgebäudes und des neuen Plenarsaals vorwiegend den Hintereingang benutzen. Eine zweimalige Zählung über mehrere Monate ergab laut Verwaltung, dass zuletzt nur noch fünf bis sechs Besucher täglich den Haupteingang benutzten. Die Kostenersparnis betrage hingegen 40000 Euro pro Jahr. Die Sparmaßnahme hingegen kostet nun voraussichtlich zwei Wachleute eines privaten Sicherheitsdienstes den Arbeitsplatz. Gewerkschaftsangaben stehen gar bis zu vier Arbeitsplätze auf dem Spiel. Dabei arbeiten sie schon für einen Hungerlohn von weniger als 4,50Euro pro Stunde und müssen nach Gewerkschaftsangaben bis zu 250 Stunden pro Monat leisten, um ihre Familien ernähren zu können. Kenner der Materie mögen angesichts der auffälligen Eile nicht ausschließen, dass auf diesem Weg handstreichartig »aufmüpfige« Wachleuten ausgebootet werden sollen, die seit längerem für bessere Tarifbedingungen streiten. »Gleichzeitig genehmigen sich die Abgeordneten die nächste Erhöhung ihrer Bezüge«, so Corinna Hersel von ver.di Thüringen. Es sei »erstaunlich, dass sie den Menschen, die im Landtag für einen Hungerlohn für Sicherheit sorgen, noch in die Augen schauen können«. In einem Eilbrief an Landtagsdirektor Joachim Linck, der die im Urlaub befindliche Präsidentin vertritt, fordert PDS-Fraktionschef Bodo Ramelow, bereits geplante Gespräche mit der privaten Sicherheitsfirma zur »Personalauswahl« zu unterlassen, die »unwiderruflich zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegenüber Mitarbeitern unserer Bewachungsfirma führen«. Das müsse so lange unterbleiben, bis eine Verständigung zwischen den Fraktionen und der Verwaltung erfolgt ist. Für den Fall, dass die Maßnahme ohne Kommunikation mit den Fraktionen vollzogen wird, kündigte Ramelow an, sich in arbeitsrechtlichen Verfahren als Zeuge anzubieten. In dem ND als Kopie vorliegenden Eilbrief plädiert Ramelow nachdrücklich für die weitere Nutzung des Haupteingangs und verweist darauf, dass die in dem Rundschreiben genannte Formulierung, die Maßnahme sei im Verwaltungsvorstand durch Übereinkunft zustande gekommen, durch die PDS-Fraktion nicht nachvollziehbar ist. Die Fraktion bestreite nachdrücklich, dass ihr Vorstandsmitglied daran mitgewirkt habe. In einem Schreiben an Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski (CDU) betont Ramelow, dass es nicht hinnehmbar sei, dass ältere oder behinderte Besucher, die vor dem Haupteingang aus der Straßenbahn steigen, den weiten Weg um den gesamten Gebäudekomplex zum neuen Funktionsgebäude gehen müssen. Dass Zugangsberechtigte vor den Augen der Ausgesperrten mit ihren elektronischen Türöffnern jederzeit den bequemen Weg durch den Haupteingang nehmen können, sei besonders skandalös, sagte der Fraktionschef dem ND. Zugleich verwies er auf ein gravierendes Sicherheitsproblem. Die Wache am Haupteingang fungiere auch als Notrufzentrale für das Hauptgebäude, in dem die Fraktionen untergebracht sind. ND gegenüber mutmaßte Ramelow, die Landtagspräsidentin, derzeit im Urlaub, habe von dem Vorhaben noch gar keine Kenntnis. Dafür spricht der Umstand, dass selbst der Landtagsvizepräsidentin Birgit Klaubert (PDS) nur lapidar mitgeteilt wurde, die Pforte werde geschlossen. Wenn wirklich gespart werden solle, müsse endlich der in der Landesverfassung fixierte Diätenautomatismus abgeschafft werden, der den Abgeordneten regelmäßige jährl...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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