Ein Wunder der Natur

Lockere Muskulatur dank Warmwassergymnastik

  • Matthias Nicko
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Bunte Scheiben fliegen durch die feuchte Luft. Geworfen und gefangen werden sie von Frauen, die durch ein rund zehn mal fünf Meter großes Wasserbecken stapfen. Die Damen haben sichtlich Spaß daran. Bis Kursleiterin Ingrid Winter pro Teilnehmerin zwei Scheiben ins Spiel bringt, was mancher Probleme mit der Koordination bereitet. Aber das kümmert bei der Gymnastik im 30 bis 32 Grad Celsius warmen Wasser niemanden. Vielmehr geht es darum, die Muskulatur zu lockern. Irina Heise nimmt seit Jahren an den Stunden teil und schätzt nicht zuletzt die massierende Wirkung des nassen Elements. »Ich habe Rückenbeschwerden, seit ich 25 bin«, sagt die Friedrichshainerin. Da ist es eine Wonne, dieses Leiden eine Zeit lang gelindert zu sehen, zumal sich der eigene Körper im Wasser leichter fortbewegen lässt. Der Orthopäde habe ihr dringend zu dieser Art Gymnastik geraten, erzählt Frau Heise. »Sonst bekäme ich wohl richtige Probleme.« Um die Schmerzen im Zaum zu halten, macht sich die 65-Jährige einmal pro Woche zu Ingrid Winter auf. Diese ist ausgebildete Trainerin und nur drei Jahre älter als ihr Schützling. Frau Winter betreut inzwischen 60 Warmwassergymnastinnen. Tummelplatz für sie alle ist das Therapiebecken der Helene-Haeusler-Schule in der Mendelssohnstraße. Mit dem neuen Schuljahr haben hier vier neue Kurse begonnen, die zehn Wochen dauern. Sie laufen unter dem Dach des Turnverein Nordost, der hauptsächlich in Prenzlauer Berg über Sportstätten verfügt. Dessen ehrenamtliche Vorsitzende ist Ingrid Winter ist. Die resolute Frau mit dem schlohweißen Haar ist Chefin von 433 Mitgliedern in 16 Abteilungen. Sie beklagt, dass vor allem junge Leute zunächst die Frage nach der finanziellen Vergütung stellen, bevor sie sich - wenn überhaupt -- im Sport engagieren. Sie selbst packt einfach an. Auch als Abteilungsleiterin am Beckenrand: Wie ein Verkehrspolizist steht sie dort und demonstriert den acht plantschenden Frauen fröhlich-flott die nächsten Übungen. Dann fordert sie ihre »Mädels« auf, sich auf das Wasser zu setzen. »Es arbeitet nur der Po! Es gucken nur die Füße aus dem Wasser«, ruft sie. »Macht den Rücken gerade! Kein Hohlkreuz!.« Man merkt ihr die jahrelange Übungsleiter-Erfahrung an: Nach dem Studium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport in Leipzig hatte sie den DDR-Turn-Nachwuchs auf den Besuch der Kinder- und Jugendsportschule vorbereitet. Heute stimmt sie das Übungsprogramm für ihre Wasserratten auf deren Alter und Erkrankungen ab. Teilnehmer mit neuen Hüften sind genauso darunter wie Patienten mit Bandscheibenproblemen oder Osteoporose in den Knien. »Manche kommen gleich mit einem Rezept der Krankenkasse«, sagt Frau Winter und zeigt einen »Antrag auf Förderung von Rehabilitationssport«. Aber auch Gesunde seien ihr im Therapiebecken willkommen, betont die rüstige alte Dame ausdrücklich. Während sie das sagt, arbeiten sich ihre Schützlinge durchs nasse Element. Sie schaufeln mit den Armen, hüpfen auf einem Bein. Frau Winter lacht sie an und spricht von einem »Wunder der Natur«. Ein solches ist zweifelsohne Frieda Juhan. Die 79-Jährige kommt regelmäßig zur Gymnastik. »Das Wasser hilft gegen die Taubheit in den Beinen«, hat die Lichtenbergerin festgestellt. Dieser Effekt kommt ihr nicht zuletzt bei der Arbeit im eigenen Garten zugute. Bekanntlich ist sportliche Betätigung im Verein auch die beste Medizin gegen Einsamkeit. »Man kennt sich und spricht miteinander«, weiß Irina Heise, die obendrein schwimmen und tanzen geht. Sie muss sich dabei nicht permanent ausarbeiten: Als die 45 Minuten im Becken zu Ende gehen, schließt Frau Heise einfach die Augen und lässt sich rücklings durch das Wasser t...

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