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  • Kultur
  • Dunkle Familiensaga: „Vatermord“ von Arnolt Bronnen im Theater Zerbrochene Fenster

Die ewige Wiederkehr des Gleichen

  • Lesedauer: 3 Min.

Foto: Marcus Lieberenz

Schöpfer sein, handeln nach dem gleichen Prinzip. Und so ist der Vatermord nichts weiter als die ewige Wiederkehr des Gleichen, ist der nackte blutige Walter im Schlußbild nur der auferstandene König. Eine Lösung wird es nie geben. Es gibt nur die Fortpflanzung. Neu ist lediglich, daß die Mutter erst genommen wird und dann der Vater gemordet. Das paßt nicht mehr in einen der Gründungsmythen des Abendlandes, in den König Ödipus.

Trotz aller Interpretationsangebote, die dieser kurzweilige Abend dem Zuschauer feilbietet, gerät das Vergnügen an der theatralischen Qualität, an der spielerisch überzeugenden Ensembleleistung nie ins Hintertreffen. Sturmbühne ist Sprechtheater vom feinsten. MARIO STUMPFE

Die expressionistisch dunkle, höllisch schwere Familiensaga „Vatermord“, 1913 entstanden und 1922 uraufgeführt, machte den jungen Arnolt Bronnen bekannt. Erzählt wird die Geschichte des Gymnasiasten Walter Fessel, der den Vater nicht länger als Gott akzeptieren mag, nach dessen Bild er geformt wird wie ein Stück Knete. Eine ewige Rebellion beginnt gegen die eisernen Maximen, gegen Zucht und Ordnung, die sein Vater wie ein I.fiirhfint.iich ühfir Hin Familie webt.

Freunde kennt sein Aufbegehren nicht. Die dumpfe Bande der Geschwister hat sich eingerichtet im Chaos der alltäglichen Gewalt, vegetiert mit Freude an des Vaters Freßtrögen wie ein Rudel Straßenköter an der Mülltonne. Der Freund aus höheren Kreisen ist einzig darauf erpicht, ihn zu verführen, nicht ohne dem unbescholtenen Jüngling Walter von Anarchismus und anderen löblichen Dingen vorzuflöten. Allein die Mutter treibt zielund hilflos, daher einigermaßen sympathisch, zwischen den Fronten, vermittelt da und distanziert sich dort. Eine Lösung, ein Weg ins Offene scheint auf immer verstellt, da nimmt der Sohn das Messer...

Daß dieses Stück heute nicht nur hinter den Sieben Bergen funktioniert, neben theatralischem Genuß auch noch zu Zeiten des „anything goes“ mit inhaltlicher Brisanz aufzuwarten weiß, ist der Schweizer Gruppe Sturmbühne zu danken. Regisseur Volker Lösch hebt die Figuren, die Geschichte aus dem familiären Raum heraus, nimmt ihr die Privatheit, unterstellt den gläsernen Menschen, die gläserne Familie. Zwar siedeln die Gestalten im Bunker, der sie vor allem abschotten soll, doch der ist kaputt, abbruchreif, feit seine Benutzer lange nicht mehr gegen die anderen und mauert sie nicht ein in seinen löchrigen Bauch. Die Realität der Mauern hat sie längst freigegeben, nur um sie weitaus höllischer gefangen zu setzen. Denn auch ohne Mauern sind die Ideologien keineswegs verschwunden.

Im Gegenteil, sie sind verstärkt worden von einem nunmehr unsichtbaren Gott. Der Normenkanon muß ohne die zementierte Keimzelle auskommen. Und umso mehr die festgefügten Werte brechen, umso härter werden die Regeln und umso chaotischer und undurchschaubarer wirken sie. Es interessiert den Vater (Klaus Bauer) nicht, ob Walter (Jan Ratschko) mit seinem Freund rummacht oder mit seiner Mutter. Allein interessiert ihn, ob und wie er seine Macht erhalten kann, wie er der Schaffende, der Schöpfer bleibt im Angesicht einer Welt, die von ihm keine Notiz nimmt. Nicht wirkliche Regeln, nicht zwanghafter Sinn wird dem Sprößling eingetrichtert, sondern er wird aufgeweicht für das bewußtlose Wirken anonymen Sinnersatzes. Und diesen Ersatz will, koste es was es wolle, der Vater spenden, wie damals seinen Samen. Genauso mechanisch pflanzt er sein Bild in die Zukunft fort

Und für dieses Sich-in-die-Zukunft-fortpflanzen gibt es keine Unterbrechung. Das ist das wirkliche Kontinuum, die Ewigkeit. Und das ist der Untergang. Für alle lebendigen Menschen, für das andere einstehend, wird die Mutter, die einzig tragische Person, überrollt von den Wellen, die die Männer schlagen. Vater und Sohn bekämpfen sich in Löschs Inszenierung nicht wirklich. So unterschiedlich sie scheinen mögen, beide wollen

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