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Leipziger ABM-Chef vor Gericht
Betrugsfall könnte über 3000 Arbeitsplätze kosten
Der frühere Chef der einst größten Beschäftigungsgesellschaft im Lande steht ab heute in Leipzig vor Gericht. Mindestens ebenso ungewiss wie seine Zukunft ist die seiner früheren Brigaden.
Zum Gericht kommt Matthias von Hermanni heute von zu Hause und nicht aus der Untersuchungshaft. Als der damalige Geschäftsführer des Leipziger Betriebs für Beschäftigungsförderung (Bfb) im November 1999 unter Betrugsverdacht festgenommen wurde, veranstalteten seine von der Unschuld ihres Chefs überzeugten »Gummistiefelbrigaden« nicht nur die größten Demonstrationen seit dem Herbst 1989 in der Leipziger Innenstadt, sondern sammelten auch Spenden für eine Kaution. Viele der damals beim Bfb beschäftigten 5500 ABM-Kräfte und Sozialhilfeempfänger griffen in ihre spärlich gefüllten Taschen. Den größten Betrag schob der frühere Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube (SPD) über den Tisch, der den einstigen Vorsitzenden der Jungen Union und späteren städtischen Beamten von Hermanni 1991 aus Hannover mitbrachte. Eine Viertelmillion in kleinen Scheinen sorgte dafür, dass dieser das Verfahren als freier Mann verfolgen kann. Ob er nach den vom Landgericht veranschlagten 23 Prozesstagen in sein Delitzscher Eigenheim zurückfahren kann, ist völlig offen. Vorgeworfen wird von Hermanni ein Deal mit einem Hannoveraner Geschäftspartner, bei dem er Baumaschinen für den Bfb zu überteuerten Preisen angemietet und den Gewinn teilweise in die eigene Tasche gesteckt haben soll. Der Schaden für das stadteigene Unternehmen wird auf 1,4 Millionen Mark beziffert. Von Hermannis Anwälte sehen die Vorwürfe als völlig haltlos an. Die vermeintlich Geschädigten seien in von ihnen unterschriebenen Protokollen über die Umstände der Anmietung informiert worden. Von Betrug könne nicht die Rede sein. Anfang September stellte von Hermanni seinerseits Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft - unter anderem wegen Freiheitsentzug und Unterdrückung von Beweismitteln. Mindestens ebenso unsicher wie die Zukunft von Hermannis ist jedoch derzeit auch die des von ihm einst geleiteten Betriebes. Das mit zeitweilig bis zu 8500 Beschäftigten größte derartige Unternehmen in der Bundesrepublik steckt in ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Veränderte Fördermodalitäten und eine schlampige Buchhaltung, für die man bequemerweise das Management von Hermannis verantwortlich machte, rissen zu Jahresbeginn ein riesiges Finanzloch auf. Die ebenfalls klamme Stadt sollte mit bis zu 15 Millionen Mark in die Bresche springen. Zudem kündigte Hartmut Siemon, Sprecher der neuen Geschäftsleitung, im Frühjahr radikale Schritte im Betrieb an, zu denen die Streichung von Investitionen in Millionenhöhe, die Stilllegung mehrerer Baustellen und der Stopp von Fahrzeugkäufen gehören sollten. Außerdem sollten mindestens 40 von 110 Festangestellten ihren Job verlieren. Trotzdem gab die Stadtverwaltung ein klares Bekenntnis zum Fortbestand des Bfb ab. Die Zahl der Beschäftigten solle bei 3500 bis 4000 gehalten werden, versicherte der Wirtschaftsbeigeordnete der Stadt, Detlef Schubert (CDU). Umso größer sind die Irritationen, seit eine Lokalzeitung unlängst über Planspiele der Geschäftsführung berichtete, wonach der Betrieb künftig keine ABM-Kräfte, sondern nur noch Sozialhilfeempfänger beschäftigen und auf ganze 850 Stellen zurückgefahren werden könnte. Selbst CDU-Stadträte verwiesen angesichts von Arbeitslosenzahlen um die 17 Prozent aufgeregt auf die Rolle des Bfb als »großes arbeitsmarktpolitisches Steuerungsinstrument der Stadt«. Die Geschäftsleitung ruderte vorerst umgehend, aber eher halbherzig zurück. Sicher ist daher, dass der stadteigene Beschäftigungsbetrieb in den kommenden Wochen nicht nur bei Leipziger Richtern, sondern verstärkt auch wieder...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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