007 und die Suppenwürze

  • Reinhard Renneberg, Hongkong
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
James Bond verhinderte in einem der ersten Filme der Reihe (von Sean Connery unvergesslich dargestellt) im Dienste der britischen Krone in Japan nichts geringeres als einen Weltkrieg, der zwischen Sowjets und Amerikanern durch Wegfangen von Raumschiffen provoziert werden sollte. Er tarnte sich als Geschäftsmann und orderte, geheimnis- und bedeutungsvoll das Wort »mono-so-dium-glu-tama-te« buchstabierend, etliche Tonnen der chemischen Substanz MSG. Nur wenige Zuschauer begriffen damals die feine britische Ironie, denn diese Substanz trifft man als Suppenwürze Natriumglutamat auf Schritt und Tritt, und dies inzwischen weltweit! Die geschmacksverbessernde Substanz in der pazifischen Meeresalge Laminaria japonica wurde schon 1908 in Japan als Glutamat identifiziert. Das Salz der Aminosäure L-Glutaminsäure (L-Glutamat) verstärkt den Geschmack von Suppen und Saucen deutlich. Der Japaner Kikunae Ikeda nannte diesen Geschmack UMAMI. Dieser Geschmack ist weder salzig noch süß, weder bitter noch sauer. Bis dahin war man der Meinung, die Zunge könnte nur diese vier Geschmacksrichtungen identifizieren. Die japanische Firma Ajinomoto (zu deutsch: »Geschmacksessenz«) gewann das L-Glutamat seit 1909 durch Fermentation. In Japan, China und Korea werden schon seit Jahrhunderten Schimmelpilze eingesetzt, um die eiweißreiche Sojabohne (Proteingehalt: 35 Prozent) und Reis durch Schimmelpilz-Enzyme (stärkespaltende Amylasen, eiweißspaltende Proteasen) für eine nachfolgende alkoholische und Milchsäuregärung aufzuschließen. Sojasauce entsteht aus einer Soja-Weizen-Mischung unter Mitwirkung des Schimmelpilzes Aspergillus oryzae. Sie enthält neben 18 Prozent Kochsalz über 1 Prozent Glutamat und 2 Prozent Alkohol. Der Bedarf an Glutamat stieg nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Aufkommen von Fertiggerichten, Soßenpulvern und Gewürzmischungen stark an. 1957 fand der Japaner Kinoshita von der Konkurrenzfirma Kyowa Hakko mit einem Such-Test Bakterien, die in der Lage waren, Glutamat anzusammeln, wenn sie auf Glucose wuchsen. Das Bakterium erhielt den Namen Corynebacterium glutamicum. Mit ihm wurde die Produktion weit effektiver. Die Herstellung von Glutamat durch Mikroorganismen übersteigt 1000000 Tonnen pro Jahr, vor allem durch die japanische und zunehmend auch die chinesische Bioindustrie. Inzwischen produzieren die Bakterien bis zu 150Gramm Glutamat pro Liter Kulturflüssigkeit. Trotz des Spott-Preises von etwa einem Dollar pro Kilogramm ist der Markt weltweit inzwischen auf eine Milliarde US-Dollar angewachsen! Noch heute ist Ajinomoto Marktführer in diesem Bereich. Allen Mitmenschen, die allergisch auf Glutamat reagieren, sei gesagt: Meine chinesischen Freunde sind der Meinung, dass nur ein schlechter Koch zusätzlich reines Glutamat einsetzt, um seine Gerichte schmackhaft zu präsentieren. In Japan werden jährlich rund 10 Liter Sojasauce pro Kopf(!) konsumiert; Asiaten scheinen keine Allergien gegen den Bestandteil Glutamat zu entwickeln. Das »China-Restaurant-Syndrom« ist unter Forschern umstritten. Reine Psychologie, sagen die einen, aber es gibt ernsthafte »Langnasen« unter meinen Bekannte...

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