Rosa Luxemburg und die Kohlmeisen
mehr meinen Kohlmeisen als den .Genossen'“
Foto: Top Press
Gestattet mir bitte eine Bemerkung zu Rosa Luxemburg und den Kohlmeisen (siehe Gast-Kolumne „Der Tag von Karl und Rosa“ von Rosemarie Schuder, ND vom 13./14.1.).
Natürlich ist es interessant zu erfahren, daß Rosa Luxemburg viel las. Noch besser wäre es aber zu wissen, was sie las. Denn Rosa L. war nicht schlechthin eine Vielleserin, sondern ihr Lesebedürfnis war von einem „Universalismus der Interessen“ geprägt.
Es ist richtig, daß Rosa L. Singvögel liebte, wie die Geschöpfe der Natur überhaupt. Doch es bedrückte sie, wie der „Kulturmensch“ mit den gefiederten Sängern umging, indem er „ihnen alle natürlichen Nist-
und Nahrungsbedingungen“ Schritt für Schritt vernichtete. Es tat ihr weh, wenn sie in diesem Zusammenhang an die nordamerikanischen Indianer dachte, die ja ähnlich von ihrem Boden verdrängt wurden.
Ökologisches Fehlverhalten der Menschen war es, das Rosa L. so schmerzte. Empfindsam, wie sie war, bekannte Rosa L. gegenüber Sophie Liebknecht in einem Brief vom 2. Mai 1917, sie fühle sich „innerlich in so einem Stückchen Garten ... oder im Feld unter Hummeln und Gras viel mehr in meiner Heimat als - auf einem Parteitag.“ Und Rosa L. fügte dem hinzu: „Ihnen kann ich ja wohl das alles ruhig sagen: Sie werden nicht gleich Verrat am Sozialismus wittern.“
Rosa L. gehörte zu denen, die, wie wir heute vielleicht sagen würden, in ökologischen Denkansätzen kein Abweichen von der sozialistischen Idee sahen.
Und Rosa L. schrieb ans Sophie L. eben nicht einfach, daß ihr „innerstes Ich“ den Kohlmeisen gehört. In dem in der Kolumne zitierten Brief an Sophie L. bekannte Rosa L.. „Aber mein innerstes Ich gehört mehr meinen Kohlmeisen als den .Genossen' “ Würde man da dem Leser möglicherweise zuviel zumuten? Könnte er da vielleicht auf abwegige Gedanken kommen? Oder ist Rosa L. manchen Leuten unbequem? Daß sie Kohlmeisen mochte, das geht ja noch. Aber daß sie die Kohlmeisen ihren
„Genossen vorzog? Wie sollte man das verstehen?
Übrigens fand Rosa L. (das schrieb sie ebenfalls am 2. Mai 1917) „auch in der Natur auf Schritt und Tritt so viel Grausames, daß ich sehr leide“ Dennoch meinte sie, „die Menschen sind doch das allergemeinste“ und: „Jetzt schließt man sich an die Tiere noch mehr an, wo die Menschen so gemein sind.“ (in zwei Briefen an Kostja Zetkin Nov 1914)
Wie der Leser weiß, hatten sich viele „Genossen“ gerade einer großen Koalition angeschlossen, gegen die Interessen des eigenen Landes, des übrigen Europa, der ganzen Welt.
REINHARD HOSSFELD, .12689 Berlin
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