Wer »Alpha« sagt, spricht von Tod

Russische Spezialeinheiten - gefürchtet, erfolgreich und doch hilflos

Sie sind Spezialisten, so gut ausgebildet und ausgerüstet wie keine zweite Truppe in Russland. Die Speznas, übersetzt so viel wie »Einheiten zur besonderen Verwendung«, werden von den Geheimdiensten FSB - vormals Teil des KGB - und GRU (das ist der Militär-Geheimdienst) geführt. Auch das Innenministerium leistet sich eine solche Einheit. Sie alle haben Erfahrung mit Terroristen.
Die Elitekämpfer sind gnadenlos, denn nur so haben sie die Chance, das Rentenalter zu erreichen. Das beginnt in ihrem speziellen Fall bereits mit 45 Jahren. Dann sind sie leer, einfach am Ende. Entstanden sind sie aus Eliteeinheiten, wie sie fast jedes Militär und jede Polizei der Welt in ihrem Bestand hat. Doch schon bei der Bezeichnung der ehemals sowjetischen Einheiten zeichnen sich Rangfolgen ab. Die Anti-Terror-Einheit, die der siebten Abteilung des KGB unterstellt wurde, bekam den Namen »Alpha«. Ihr Aufbau begann 1974. Möglicherweise hatten der Überfall auf die Olympischen Spiele 1972 in München sowie der weltweit anwachsende Terror zu ihrer Bildung beigetragen. 1979, beim Einmarsch in Afghanistan, hoben sie die wichtigsten Kommandostrukturen aus. Beim Sturm auf ein Moskauer Musical-Theater im Oktober 2002 gaben sie ihr Bestes - dennoch brachten sie durch den Einsatz eines Kampfgases 129 Geiseln um. Die meisten der 41 Geiselnehmer »erledigten« die Elite-Helden durch Kopfschuss.
»Alpha« war in der Sowjetunion die »Nummer Eins«, sie ist es auch in Russland. Genaue Zahlen kennt man nicht, es heißt, »Alpha« erreiche inzwischen mit allen logistischen Hilfstruppen allein in Moskau Bataillonsstärke. Hinzu kommt eine Schwestereinheit namens »Wega«, ursprünglich als »Wimpel« bekannt
Die Elitetruppen des Innenministeriums tragen die Namen »Witjas«, »Rus«, Rosich«, »Skif« und »Grom«. Sie wurden bislang jedoch vor allem bei Gefangenenrevolten und ähnlichen besonderen Vorkommnissen eingesetzt. In Tschetschenien aber operieren alle Spezialeinheiten. Dort, so kritisieren Beobachter, scheinen sie außerhalb jeder Gesetzlichkeit zu stehen. Jüngst mussten Militärrichter zumindest pro forma gegen Militärs urteilen, die in der Gegend von Grosny Verbrechen verübt hatten. Angehörige der Spezialtruppen indes mussten sich - öffentlich - noch nie für Bluttaten rechtfertigen.

Drei Tage in Beslan
Die geplante Feier zu Beginn des neuen Schuljahres im nordossetischen Beslan, unweit der Hauptstadt Wladikawkas, wurde am 1. September zur Tragödie. Eine Chronik der Ereignisse:

Mittwoch, 1. September

8.24 Uhr: Ein mit Gewehren und Sprengstoffgürteln ausgerüstetes Kommando stürmt die Schule Nr. 1 in der Kleinstadt Beslan, als Lehrer, Kinder und Eltern gerade den ersten Schultag feiern. Sie bringen Hunderte von Menschen in ihre Gewalt. Mindestens zwölf Erwachsene, darunter auch einer der Geiselnehmer, werden getötet.
9.49 Uhr: Die Geiselnehmer drohen mit der Sprengung der Schule, sollte die Polizei zum Sturm ansetzen. Laut russischen Medieninformationen fordern sie die Freilassung inhaftierter Rebellen in Inguschetien.
10.51 Uhr: Lokale Behörden nehmen telefonisch Kontakt mit dem Kommando auf.
11.07 Uhr: Präsident Wladimir Putin bricht seinen Urlaub am Schwarzen Meer ab und kehrt nach Moskau zurück.
13.58 Uhr: Laut einem Polizeivertreter drohen die Kidnapper, für jeden getöteten Geiselnehmer 50 Kinder zu ermorden.

Donnerstag, 2. September

Nachts: Auf einer Sondersitzung fordert der UN-Sicherheitsrat die sofortige Freilassung aller Geiseln.
8.15 Uhr: Putin und seine Minister für Äußeres und Verteidigung sagen ihren geplanten Türkei-Besuch ab.
12.06 Uhr: In seinem ersten Fernsehauftritt nach Beginn des Geiseldramas sagt Putin, die Angriffe zielten auf »Russland als Ganzes«. Eine gewaltsame Befreiung der Geiseln lehnt er zunächst ab, um das Leben der Kinder, Eltern und Lehrer nicht zu gefährden.
Nordossetiens Präsident Alexander Dsasochow erklärt tags darauf, die Geiselnehmer hätten die Forderung übermittelt, dass Tschetschenien ein unabhängiger Staat werden müsse.
14.44 Uhr: Drei Frauen und ihre Babys kommen frei.
15.12 Uhr: Offenbar durch Vermittlung des ehemaligen Präsidenten Inguschetiens, Ruslan Auschew, werden insgesamt 15 Kinder und elf Frauen von den Geiselnehmern freigelassen.

Freitag, 3. September

11.47 Uhr: Die Ereignisse überschlagen sich. Augenzeugen berichten, die Erstürmung der Schule beginne. Der russische Einsatzstab dementiert: Es sei lediglich rund 30 Frauen und Kindern die Flucht aus dem Gebäude gelungen. Kurz darauf meldet der Krisenstab, das Dach der Schule sei eingestürzt, die Geiselnehmer feuerten auf die Menschen und das Schulgebäude; Mitglieder des Kommandos versuchten zu flüchten und würden von den Soldaten verfolgt.
11.58 Uhr: Interfax meldet unter Berufung auf den Krisenstab, Sondereinsatzkräfte hätten die Schule betreten. Immer noch flüchteten Menschen von dem Gelände.
12.27 Uhr: ITAR-TASS meldet, die Schule sei unter Kontrolle der Spezialeinheiten. Der Wahrheitsgehalt die...

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