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- Wetterfühligkeit
Wenn die Narbe zwickt
Kreislaufprobleme beim Nahen einer Kaltfront, Narbenschmerzen bei anrückender Warmluft, Kopfschmerzen bei Föhn: Kaum eine andere Naturerscheinung beeinflusst den Körper und die Psyche des Menschen so stark wie das Wetter. Jeder zweite Deutsche hält sich Umfragen zufolge für wetterfühlig, aber die physiologische Grundlage dafür ist noch ungeklärt.
»Unter Wetterfühligkeit versteht man durch Witterungserscheinungen verursachte Missempfindungen, die keiner bestimmten Grunderkrankung zuzuordnen sind«, erklärt der Medizin-Meteorologe Klaus Bucher vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Bekannt war dieses Phänomen schon in der Antike: Der Grieche Hippokrates warnte seine Ärztekollegen bereits vor 2400 Jahren davor, bei Wetterumschwüngen zu operieren. Die Lex Friesorum sah im 9. Jahrhundert nach Christus ein verschärftes Strafmaß für Verursacher von Verletzungen vor, die wie etwa Narben wetterbedingte Schmerzen verursachen. Mittlerweile gilt der Einfluss des Wetters auf den menschlichen Organismus als gesichert.
Umfragen zufolge schlagen Witterungsbedingungen jedem zweiten Deutschen auf die Gesundheit. Bei fast jedem Fünften hängt das eigene Befinden in starkem Maße vom Wetter ab, weitere 35,5 Prozent halten sich für mäßig wetterfühlig. Betroffene klagen über Kopfschmerzen, Migräne, Erschöpfung und Schlaflosigkeit, aber auch über Narben- und Phantomschmerzen. Frauen reagieren laut Umfragen doppelt so häufig mit Beschwerden auf das Wetter wie Männer. Aber bei beiden Geschlechtern nimmt die Empfindlichkeit mit zunehmendem Alter deutlich zu. Auch regional unterscheidet sich die Wetterfühligkeit stark: Nach Angaben des Biometeorologen Peter Höppe vom Münchner Institut für Arbeits- und Umweltmedizin sind die Norddeutschen mit über 60Prozent am stärksten betroffen. Dies liege allerdings nicht daran, dass sie empfindlicher wären als etwa die Bayern, sondern an den besonders häufigen Wetterumschwüngen in Meeresnähe.
Probleme treten verstärkt im Frühjahr und im Herbst auf, wenn das Wetter häufiger wechselt. Insbesondere die so genannte Warmluft-advektive Wetterlage, bei der feuchte Luftmassen auf Kaltluft aufgleiten, führt zu Beschwerden und korreliert stark mit Migräne, Narben- und Phantomschmerzen. Das Nahen einer Kaltfront belastet dagegen vor allem Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen. Die Symptome reichen von Blutdruckanstieg über Angina Pectoris bis hin zu Herzinfarkt oder Hirnschlag. Nachdem die Zusammenhänge zwischen Wetter und Gesundheit eindeutig belegt sind, wird die physiologische Grundlage des Phänomens noch erforscht. »Wir wissen, dass es die klassischen Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Windgeschwindigkeit nicht sind«, betont der Experte. Verantwortlich seien vermutlich entweder elektromagnetische Impulse, so genannte Sferics, oder niederfrequente Luftdruckschwankungen.
Um die Ursache eindeutig nachzuweisen, versuchen die Münchner Forscher zusammen mit Kardiologen, Rheumatologen und Neurologen in kontrollierten Versuchen, solche Bedingungen künstlich zu generieren und deren Auswirkung auf den Menschen zu analysieren. Wetterfühligkeit ist laut Bucher grundsätzlich ein Hinweis darauf, dass der Körper Schwierigkeiten hat, sich auf veränderte Witterungsbedingungen einzustellen. Der Forscher rät Betroffenen daher, den Organismus darin zu trainieren. »Man sollte sich nicht abschotten«, rät auch Höppe. Ganz im Gegenteil: Sport im Freien, Spaziergänge auch mal bei schlechtem Wetter oder Wechselduschen können zur Linderung der Beschwerden führen. Auch regelmäßige Saunabesuche werden empfohlen, sofern keine anderen gesundheitlichen Gründe dagegen sprechen.
Sollte Wetterwechsel jedoch mit gravierenden Gesundheitsbeschwerden verbunden sein, rät Bucher, einen Arzt zu Rate zu ziehen. »Wetterfühligkeit ist ein Gradmesser des Gesundheitszustands«, betont er. Die Symptome könnten Schwachstellen des Kör...
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