Schwere Angriffswaffen wieder beim Händler

Trotz Warnungen von USA-Polizeichefs wird ein restriktives Gesetz der Clinton-Ära beerdigt

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Seit heute kann der USA-Bürger auch schwere Angriffswaffen wieder legal erwerben. Präsident Bush, Republikaner und Demokraten lassen ein Clinton-Gesetz sang- und klanglos auslaufen.

Der vor zehn Jahren von der Clinton-Regierung verhängte Bann für schwere Angriffswaffen (»assault weapons ban«) ist Geschichte. Ab Montag Mitternacht kann sich der amerikanische Durchschnittsbürger durch eine Online-Bestellung oder einen Gang in den nächsten Waffenladen wieder völlig legal mit kriegstauglichen Mordinstrumenten eindecken: Beretta AR-70, Tec-9, Colt AR-15, Uzi, »Streetsweeper« oder auch Kalaschnikow AK-47. Gemeinsam ist den 19 vor zehn Jahren illegal erklärten Waffen, dass sie schnell austauschbare Magazine, Schall- und Lichtdämpfer sowie einen pistolenähnlichen Griff zur Maximierung der Schussfrequenz haben. Die Beretta kann zum Beispiel 650 Schüsse pro Minute abfeuern. Zahlreiche USA-Polizeichefs warnten vor dem stillen Auslaufen des Gesetzes. Die Sicherheitsbehörden sähen sich angesichts der zu erwartenden Aufrüstung krimineller Banden ihrerseits zur weiteren Aufrüstung gezwungen. Auch diverse Waffenkontrollgruppen versuchten in den letzten Wochen auf die zu erwartende Zunahme der Straßengewalt aufmerksam zu machen. So war beispielsweise in einer ganzseitigen »New York Times«-Anzeige Osama bin Laden mit einer Maschinenpistole mit der Unterzeile: »9-11-Terroristen können auf 9-13 kaum warten«. Am 13. September läuft das Gesetz dennoch sang- und klanglos aus. Obwohl zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerung in den vergangenen Jahren für eine Erneuerung des Waffenbanns eintreten, setzte sich die mächtige Waffenlobby namens »National Rifle Association« einmal mehr durch. Mit über vier Millionen zahlenden Mitgliedern, einem Jahresbudget von rund 200 Millionen Dollar, dem Vertrieb von mindestens einem Dutzend viel gelesener Zeitschriften und hervorragenden Verbindungen zu Kongressabgeordneten und Senatoren ist die rechte Organisation nicht nur bei den Republikanern wohl gelitten, sondern auch bei den Demokraten stark umworben - gerade im Wahlkampf. Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry hat sich zwar für die Weiterführung des Gesetzes ausgesprochen. Doch um die Wechselwähler zu umwerben, posiert er immer wieder als »Sportschütze« in Jägerkleidung mit einer »Shotgun« in der Hand. Auch das Wahlprogramm der Demokraten unterstützt zum ersten Mal ausdrücklich das »Recht, Waffen zu tragen«, wie es im zweiten Verfassungszusatz heißt. Der Grund: Parteistrategen glauben, dass Al Gore vor vier Jahren mit seiner Forderung, Waffenbesitzer registrieren zu lassen, die Bundesstaaten Virginia, Arkansas und Tennessee verloren hat. George Bush trat offiziell ebenso wie Kerry für die Verlängerung des Gesetzes ein, versteckte sich aber hinter dem Kongress, in dem seine Partei, die mit großer Mehrheit die Waffennarren unterstützt, den Ton angibt. Er brauchte nur abwarten. Die größte USA-Zeitung »USA Today« fasste die Gründe für das Absterben des Waffenkontrollgesetzes so zusammen: »Die Kriminalitätsraten sinken seit Jahren, was das Thema weniger wichtig macht. Der Krieg in Irak, Terrorismus-Ängste und anderes sind in diesem Wahlkampf wichtiger. Und die Demokraten - von denen viele überzeugt sind, dass der Bann sie bei den Wahlen 1994 mindestens 20 Kongresssitze kostete - haben fast alle abgewunken, als es um Waffenkontrolle ging«. Waffenkontrollorganisationen und Polizeibehörden setzen indes darauf, dass das Thema im Wahlkampf relevant werden könnte. Halbautomatische Waffen, wie sie bei der Konfliktaustragung auf den Straßen wieder zum Einsatz kommen werden, waren das Lieblingsobjekt von Banden, die in den späten 80er und frühen 90er Jahren Hunderte vom Menschen umbrachten. Ähnliches oder S...

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