Verschiedene »Läuse« auf der Leber
Hepatitis-B-Erreger ist ansteckender als das HIV-Virus
Über 100 verschiedene Krankheiten bedrohen unser wichtigstes Stoffwechselorgan, die Leber. Der Vielfalt von Krankheitsbildern stehen aber ebenso viele unterschiedliche Auslöser gegenüber, und parallel zum Erkenntnisgewinn nimmt tragischerweise die Zahl der Erkrankten zu.
Effektive Behandlungskonzepte sind rar, doch die Zahl möglicher neuer Ansätze wächst. Nicht nur Läuse laufen uns ab und zu über die Leber, manchmal sind es auch Alkohol und Viren. Dabei gilt: Je länger sie laufen, umso mehr nimmt das drei Pfund schwere Organ Schaden. Zwar besitzt die Leber ein hohes Regenerationspotenzial. Weil sie aber über kein eigenes Nervenkostüm verfügt, spüren wir nicht wirklich, ob sie krank ist. Nur auf Umwegen kann sie sich bemerkbar machen. Beispielsweise, indem sie anschwillt und Druck auf ihre Nachbarn ausübt. So kommt es, dass uns Druckgefühle im Oberbauch, Übelkeit, Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Fieber, Gliederschmerzen oder Depressionen kaum an eine kranke Leber denken lassen. Nach Hochrechnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es in Deutschland 3,5 Millionen Leberkranke. »Die Dunkelziffer liegt jedoch deutlich darüber. Wir gehen von 7,5Millionen Betroffenen aus«, sagt Achim Kautz, Geschäftsführer der Deutschen Leberhilfe. Erschreckend sei vor allem, dass wegen der unspezifischen Symptome nur ein Bruchteil dieser Menschen von ihrer Krankheit wüssten. Und wenn Ärzte dann einmal tatsächlich die Leberwerte kontrollierten, und diese als erhöht erkennen, begnügten sie sich nicht selten mit dem Rat, den Alkoholkonsum zu reduzieren. »Das klingt so, als ob es sich um ein Kavaliersdelikt handele und es nur eine Ursache gäbe. Dabei haben drei Viertel aller Leberkranken überhaupt keine Probleme mit Alkohol«, gibt Prof. Stefan Zeuzem, Uni Homburg, zu bedenken. Erhöhte Leberwerte können, müssen aber nicht mit Alkoholkonsum in Zusammenhang stehen und auf eine Erkrankung hinweisen. Wegen all dieser Unwägbarkeiten sollten erhöhte Leberwerte immer Anlass für weitere Untersuchungen sein. Häufigste Krankheitsauslöser sind durch Übergewicht und Diabetes verursachte Stoffwechselstörungen, weshalb manche Lebererkrankungen eher als Folge des Wohlstandes betrachtet werden. Dazu gesellen sich Infektionen mit den Hepatitis-Viren A, B und C. Für die Leber am harmlosesten ist - trotz schwerer Krankheitsverläufe im Einzelfall - das A-Virus, weil es zu keiner chronischen Organschädigung kommt. Anders dagegen das B-Virus, das hauptsächlich sexuell übertragen wird und gefährlicher ist als das HIV-Virus. Rund 1500 Menschen sterben jährlich in Deutschland an einer Hepatitis B, doppelt so viele wie an Aids. Ungleich höher ist die Zahl der Hepatitis-C-Infizierten, die auf etwa 500000 Menschen geschätzt wird. Die Übertragung des Virus steht in engem Zusammenhang mit Drogenkonsum, Pearcing und Tätowieren und - inzwischen zwar weniger - mit verunreinigten Blutprodukten. Heilbar ist die Hepatitis C etwa in 60Prozent aller Fälle mit einer Kombination von Peginterferon und Ribarivin. Da die Behandlung häufig mit starken Nebenwirkungen verbunden ist, suchen Wissenschaftler nach neuen Ansätzen. Um zu prüfen, ob ein Wirkstoff taugt, bedarf es geeigneter Systeme, um das Virus zu vermehren. Solche Vermehrungssysteme stehen erst seit wenigen Jahren zur Verfügung. Maßgeblichen Anteil an deren Entwicklung hatten dabei die Forscher um den Virologen Prof. Ralf Bartenschläger an der Uni Heidelberg. »Auf Grund von Forschungsergebnissen der letzten Jahre haben sich drei entscheidende Angriffsziele für die Therapie der chronischen Hepatitis C heraus kristallisiert«, sagt er. Im Visier haben die Forscher bestimmte Enzyme (Polymerase, Protease und Helikase), ohne die sich das Virus nicht vermehren kann. Bartenschläger: »Bis Herbst 2003 wurden rund 30 verschiedene Substanzen beschrieben, welche die Vermehrung des Virus in Zellkultursystemen hemmen«. Ein so genannter Protease-Hemmer hat sich dabei als besonders aussichtsreich gezeigt, muss aber wegen möglicher Nebenwirkungen am Herzen noch verbessert werden. Gelingt dies, stünde möglicherweise ein Wirkstoff für solche Patienten zur Verfügung, die auf die jetzige Interferontherapie nicht anspringen. Einer Impfung gegen das Hepatitis C-Virus gibt Bartenschläger wegen der Veränderlichkeit des Erregers kaum eine Chance. Ziel aller Bemühungen ist, die Langzeitfolgen einer In...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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