Tausende warten auf Wohngeld
56000 Anträge liegen auf Halde, mit Hartz IV könnte sich der Stau verlagern/Bezirke skeptisch
Seit sieben Monaten wartet Thomas Knauf-Lapatzky auf Wohngeld. Sein Antrag hätte laut Gesetz innerhalb von drei Monaten bearbeitet sein müssen. Im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hörte er jedoch immer wieder das gleiche Lied: Personalmangel, Krankheitsausfall. Jetzt reicht es ihm. Vor dem Verwaltungsgericht hat er Untätigkeitsklage gegen das Land Berlin erhoben.
Kein Einzelfall. In Berlin stapeln sich gegenwärtig über 56000 Wohngeldanträge. Damit ist der Berg gegenüber dem Jahresanfang nur minimal um etwa 3000 Anträge geschrumpft. Die Bearbeitungszeiten liegen in manchen Bezirken deutlich über den drei Monaten, in Tempelhof-Schöneberg braucht man im Schnitt sogar doppelt so lange. Dort lagen im Juni fast 13000 Anträge auf Halde, so viel wie in keinem anderen Bezirk. Charlottenburg-Wilmersdorf folgt mit 7600 Anträgen. Besser schneiden die Ostbezirke ab. In Pankow waren rund 4400 Anträge unerledigt bei deutlich geringerer Wartezeit.
Beim Berliner Mieterverein hat sich die Zahl der Beschwerden über die schleppende Wohngeldbearbeitung dramatisch erhöht. »Es ist ein Trauerspiel, wie hier mit der finanziellen Not der Leute umgegangen wird«, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Reiner Wild. Auch beim Senat ist das Problem bekannt. »Wir arbeiten dran«, sagt Thomas Brand, Referatsleiter Wohnungspolitik in der Stadtentwicklungsverwaltung. Die Bezirke hätten zusätzliches Personal aus dem Stellenpool erhalten, wenn auch nicht so viel, wie sie verlangt hatten. Es sei aber nicht nur ein Personalproblem. »Einige Bezirke setzen einfach andere Prioritäten und ihr Personal lieber bei der Grünpflege ein«, so Brand.
In Tempelhof-Schöneberg weist man das zurück. »Die wirtschaftliche Lage schlägt jetzt einfach durch«, so der stellvertretende Wohnungsamtsleiter, Andreas Higel. Seit 2001 sei die Zahl der eingehenden Anträge um 80 Prozent gestiegen. Hinzu kämen die Anträge auf Grundsicherung, die in der Regel ebenfalls mit einem Wohngeldanspruch verbunden seien. Die Personaldecke im Bezirksamt sei aber einfach zu kurz, klagt Higel. »Bei der Zahl der Mitarbeiter pro 1000 Bewohner stehen wir am Ende der Bezirke.« Aus dem Personalüberhang des Landes habe man deshalb acht zusätzliche Bearbeiter bestellt, aber nur vier erhalten. »Davon war einer dauerkrank, der andere trat einen längeren Urlaub an.«
Die Zahl der Wohngeldempfänger in Berlin ist im ersten Halbjahr von 110000 auf 130000 gestiegen. Etwa ein Zehntel davon lebt in Lichtenberg, das sind sogar mehr als in Tempelhof-Schöneberg. Trotzdem liegt die Bearbeitungsdauer hier unter drei Monaten. »Wir haben auch nicht mehr Personal, aber eine gute Arbeitsorganisation«, sagt Stadtrat Wilfried Nünthel (CDU). Beim Stadtentwicklungssenat rechnet man offenbar damit, dass sich im nächsten Jahr mit Hartz IV der Antragsstau von selbst erledigt. Etwa 40 Prozent der heutigen Wohngeldempfänger würden dann Arbeitslosengeld II erhalten, ihre Wohnkosten würden dann ohnehin übernommen. Die Antragsflut verlagert sich also. In den Bezirken erwartet man aber vorerst keine Entspannung. »Die Menschen sind so verunsichert, dass sie vorsorglich auch Anträge auf Wohngeld stellen«,...
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