Neues von Herrn Keuner

Akademie der Künste zeigt überraschend entdeckte Manuskripte von Brecht

  • Wolf-Rüdiger Neurath
  • Lesedauer: 2 Min.
Es gibt »Neues vom Herrn Keuner«. Herr Keuner ist eine von Bertolt Brecht entworfene Spielfigur und eine Projektionsfigur. Sie ist durch paradoxe und provozierende Äußerungen bekannt. »Er war (was niemand, der ihn gekannt hat, bestreiten kann) Brecht selbst«, sagte einst Essayist Günther Anders. Die Akademie der Künste stellt ab Sonntag im Max-Liebermann-Haus am Pariser Platz in Deutschland bisher unveröffentlichte Geschichten von Herrn Keuner vor. Die Exponate sind Teil eines Konvolutes an Brecht-Manuskripten, die in Zürich entdeckt wurden. Der Überraschungsfund umfasst 1750 Blätter, von denen nur acht Prozent im Liebermann-Haus gezeigt werden können. Dabei handelt es sich um Texte, Briefe und Arbeitsunterlagen. Als bedeutendster Bestandteil dieser Sammlung gilt die Mappe »geschichten vom hk«. Sie enthält 15 bislang unbekannte Manuskripte, eine Gliederung und entstehungsgeschichtlich bedeutsame Varianten bereits publizierter Geschichten, sagte der Leiter des Brecht-Archivs der Akademie, Erdmut Wizisla. Keuners Bemerkungen verblüffen und geben zu denken. So heißt es in einer Geschichte: »Woran arbeiten Sie?, wurde Herr K. gefragt. Herr K. antwortete: Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor.« In einem anderen Text bekennt er: »Wenn ich mit den Dingen einig bin, sagte Herr Keuner, verstehe ich die Dinge nicht, sondern die Dinge verstehen mich.« Der Fund enthält neben den Keuner-Geschichten Zeugnisse über Kontakte Brechts zu Max Frisch, Caspar Neher, Kurt Hirschfeld oder Ernst Ginsberg. Ferner über legendäre Theaterprojekte wie »Antigone« oder »Herr Puntila und sein Knecht Matti«. Buchpläne und Arbeitsvorhaben vermitteln einen Eindruck von der immensen Kreativität Brechts nach der Rückkehr aus dem amerikanischen Exil. Brecht hatte damals in Zürich bei seiner literarischen Agentin, der späteren Filmautorin Renata Mertens-Bertozzi, Station gemacht. Als er Zürich 1949 in Richtung Berlin verließ, blieben die Manuskripte in der Schweiz zurück. Sie tauchten erst nach dem Tod der Gastgeberin wieder auf. Beim Aufräumen der Wohnung fand ihre Tochter Martina Mertens im Februar 2001 in einem Kleiderschrank einen Karton mit den Manuskripten. Sie bot den literarischen Schatz der Akademie an. Seit Januar 2004 ist er in Berlin.ddp Bis 28.11., Mo., Mi. Fr. 10-19, Do. bis 20, Sa., So. 11-18 Uhr, Max-Liebermann-Haus, Pariser Platz, Mitte

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