Versorgungsleitungen auf dem Grundstück - Recht auf Entschädigung?

Vor 20 Jahren habe ich von der Stadt Gelnhausen, Bundesland Hessen, ein Grünland-Grundstück erworben. In der Zweiten Abteilung des Grundbuchs waren und sind keine Belastungen eingetragen. Erstaunt war ich daher, als in diesen Tagen der Gasversorgungsbetrieb ohne Ankündigung umfangreiche Erdarbeiten auf dem Grundstück durchführte. Bei einer Erkundigung erfuhr ich, dass bereits vor dem Erwerb des Grundstücks durch mich die Leitung verlegt worden war. Bei dieser Gelegenheit wurde mir weiterhin bekannt, dass vor fünf Jahren, d.h. als ich schon Grundstückseigentümer war, eine Starkstromleitung über das Grundstück verlegt worden war. Nun meine Fragen:

1. Kann ich den Grundstückskaufvertrag heute noch wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Grundstücks gemäß § 119 BGB anfechten?

2. Habe ich wegen beider Leitungen Ansprüche auf einen finanziellen Ausgleich?

Herbert V.,03571 Gelnhausen


Zur ersten Frage: Nein, Sie können den Kaufvertrag nicht anfechten. Nach § 121 Abs. 2 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung mehr als zehn Jahre verstrichen sind.

Zur zweiten Frage: Wegen der generellen Bedeutung der Versorgung mit Elektrizität und Gas ist die gesamte Materie umfangreich geregelt und zwar im Zusammenwirken von Bundes- und Landesrecht. Es gilt das Energiewirtschaftsgesetz vom 24. April 1998, das vorangegangene Regelungen abgelöst hat. Bereits aus der grundsätzlichen Regelung folgt, dass Grundstückseigentümer verpflichtet sind, schon Vorarbeiten für solche Leitungen zu dulden.
Aus den Planfeststellungen bzw. sonstigen Genehmigungen ergibt sich, inwieweit die Verpflichtung besteht, im konkreten Falle auf Dauer Beschränkungen des Eigentumsrechts hinzunehmen. Jeweils im Landesrecht ist bestimmt, in welchen Fällen eine Enteignung des gesamten Grundstücks erfolgen darf oder nur die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu dulden ist.
Aus diesen Rechtsvorschriften ergibt sich auch, inwieweit eine Entschädigung verlangt werden kann. Ihnen ist daher zu raten, die näheren Umstände der Leitungsverlegungen durch einen Juristen überprüfen zu lassen und sich über mögliche Ansprüche unter Berücksichtigung der zu den einzelnen Zeitpunkten geltenden rechtlichen Regelungen beraten zu lassen.
Auch ohne Kenntnis des damaligen Grundstückkaufvertrages ist davon auszugehen, dass Entschädigungsansprüche gegenüber dem Verkäufer durch die Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein werden. In Abhängigkeit vom Sachverhalt wird es sich um Ansprüche gegenüber den Versorgungsunternehmen oder sonstigen Vorhabenträgern handeln.

Prof. Dr.
JOACHIM GÖHRING,
Rechtsanwalt

Vor 20 Jahren habe ich von der Stadt Gelnhausen, Bundesland Hessen, ein Grünland-Grundstück erworben. In der Zweiten Abteilung des Grundbuchs waren und sind keine Belastungen eingetragen. Erstaunt war ich daher, als in diesen Tagen der Gasversorgungsbetrieb ohne Ankündigung umfangreiche Erdarbeiten auf dem Grundstück durchführte. Bei einer Erkundigung erfuhr ich, dass bereits vor dem Erwerb des Grundstücks durch mich die Leitung verlegt worden war. Bei dieser Gelegenheit wurde mir weiterhin bekannt, dass vor fünf Jahren, d.h. als ich schon Grundstückseigentümer war, eine Starkstromleitung über das Grundstück verlegt worden war. Nun meine Fragen:

1. Kann ich den Grundstückskaufvertrag heute noch wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Grundstücks gemäß § 119 BGB anfechten?

2. Habe ich wegen beider Leitungen Ansprüche auf einen finanziellen Ausgleich?

Herbert V.,03571 Gelnhausen


Zur ersten Frage: Nein, Sie können den Kaufvertrag nicht anfechten. Nach § 121 Abs. 2 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung mehr als zehn Jahre verstrichen sind.

Zur zweiten Frage: Wegen der generellen Bedeutung der Versorgung mit Elektrizität und Gas ist die gesamte Materie umfangreich geregelt und zwar im Zusammenwirken von Bundes- und Landesrecht. Es gilt das Energiewirtschaftsgesetz vom 24. April 1998, das vorangegangene Regelungen abgelöst hat. Bereits aus der grundsätzlichen Regelung folgt, dass Grundstückseigentümer verpflichtet sind, schon Vorarbeiten für solche Leitungen zu dulden.
Aus den Planfeststellungen bzw. sonstigen Genehmigungen ergibt sich, inwieweit die Verpflichtung besteht, im konkreten Falle auf Dauer Beschränkungen des Eigentumsrechts hinzunehmen. Jeweils im Landesrecht ist bestimmt, in welchen Fällen eine Enteignung des gesamten Grundstücks erfolgen darf oder nur die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu dulden ist.
Aus diesen Rechtsvorschriften ergibt sich auch, inwieweit eine Entschädigung verlangt werden kann. Ihnen ist daher zu raten, die näheren Umstände der Leitungsverlegungen durch einen Juristen überprüfen zu lassen und sich über mögliche Ansprüche unter Berücksichtigung der zu den einzelnen Zeitpunkten geltenden rechtlichen Regelungen beraten zu lassen.
Auch ohne Kenntnis des damaligen Grundstückkaufvertrages ist davon auszugehen, dass Entschädigungsansprüche gegenüber dem Verkäufer durch die Vertragsgestaltung ausgeschlossen sein werden. In Abhängigkeit vom Sachverhalt wird es sich um Ansprüche gegenüber den Versorgungsunternehmen oder sonstigen Vorhabenträgern handeln.

Prof. Dr.
JOACHIM GÖHRING,
Rechtsanwalt


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