Anno domini 929

Die deutsche Ostexpansion

  • Ronald Schumacher
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Jahr 929 war für das Land an Elbe, Havel und Saale ein schweres Jahr. Es begann mit einem harten Winter, der viele Flüsse zufrieren ließ. Doch das sollte erst der Beginn von vielen schweren Entbehrungen sein. Schon das zweite Jahr zog der deutsche König Heinrich I. mit seinem Heer durch die Lande und versuchte mit Feuer und Schwert die westslawischen Gebiete für das junge deutsche Reich zu erobern. Seit sich zum Ende des 8. Jahrhunderts die slawischen Stammesverbände der Wilzen und Obodriten herausgebildet hatten, ließ das ostfränkische Reich nichts unversucht, diese Bündnisse zu verhindern oder die Stammesverbände zumindest zu schwächen. Mit politischen und militärischen Mitteln wollte man die Herausbildung frühstaatlicher Organisationsformen unter den slawischen Stämmen an der Ostgrenze des Frankenreiches verhindern. 928 hatte die erste Etappe der frühdeutschen Ostexpansion begonnen. König Heinrich I. überschritt die Elbe und drang mit seinem Heer erfolgreich in die Gebiete des slawischen Stammesverbandes der Wilzen (oder Lutizen genannt) vor. Im Spree-Havel-Gebiet schlug er die dort wohnenden Heveller. Im Winter 928/929 belagerte er Brenabor. Diese Fürstenburg der Heveller, die später den Namen Brandenburg erhalten wird, war strategisch äußerst günstig auf einer Insel in der Havel erbaut worden, die spätere Dominsel. Doch die im Sommer strategisch ausgezeichnete Lage wurde ihr im Winter zum Verhängnis. Die zugefrorene Havel bot der Burg keinen natürlichen Schutz mehr. Dennoch dauerte die Belagerung noch vier Monate, bis Heinrich den stark befestigten Fürstensitz »durch Hunger, Schwert und Kälte« erobern konnte. Die Verteidiger wurden gefangen genommen, der hevellische Stammesfürst Tugumir ward als Geisel an den Hof des Königs gebracht. Im weiteren Verlaufe des Jahres 929 wandte sich Heinrich elbaufwärts und kämpfte gegen die zwischen Elbe und Saale lebenden Daleminzier. Nach 30 Tagen Belagerung wurde deren Stammeszentrum, die Burg Gana, erstürmt. Die männlichen Verteidiger erschlug man, Frauen und Kinder wurden in die Gefangenschaft verschleppt. Thietmar von Merseburg, sächsischer Geschichtsschreiber und Bischof, berichtet in seiner »Chronik«, dass an einem wichtigen Elbübergang Heinrich I. in diesem Jahr auch die Burg Meißen errichten ließ. Sie diente als militärischer Stützpunkt für die Kämpfe gegen die Milzener in der Oberlausitz. In den folgenden Jahren gelangen Heinrich weitere Siege über die Lusizer und Milzener in der Nieder- und Oberlausitz. Thietmar von Merseburg berichtet von der Burg Liubusua, die im Jahr 932 von einem deutschen Heer zerstört wurde (wahrscheinlich in Luckau, Niederlausitz). Zum Ende der Regierungszeit König Heinrich I. mussten die meisten westslawischen Stämme die militärische Überlegenheit anerkennen. Ihre Abhängigkeit wird im Wesentlichen in einer Tributpflicht bestanden haben. Die Unterwerfung der slawischen Gebiete war aber weder vollständig noch endgültig. Schon im Sommer 929 kam es unter den zum Stammesverband der Lutizen gehörenden Redariern zu einem Aufstand gegen die deutsche Herrschaft. Sie überschritten die Elbe und drangen bis in die Altmark vor. Im Herbst 929 kam es zur Entscheidungsschlacht bei Lenzen an der Löcknitz (nordwestlich von Wittenberge). Eine slawische Burg schützte dort einen Elbübergang und galt als wichtiger Handelsplatz zwischen Franken und Slawen. Der sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvey berichtet in seiner »Sachsengeschichte« über diese Schlacht. Anfangs schien der Kampf günstig für die Redarier zu verlaufen. Lange Zeit konnten sie den Angriffen des von den Adelsleuten Bernhard und Thietmar geführten deutschen Heeres standhalten. Erst als die fränkische Panzerreiterei in die Schlacht eingriff, wurde der Kampf gegen das Heer der Slawen zu Gunsten der Deutschen entschieden. 940 geriet auch das Gebiet zwischen mittlerer Elbe und Oder in deutsche Abhängigkeit. Die deutsche Herrschaft schien auf Dauer gesichert zu sein. Doch im Sommer 983 beseitigte ein erneuter großer Aufstand der Stammesverbände der Lutizen und der Obodriten - für immerhin mehr als 150 Jahre - die Vorherrschaft des deutschen Feudalstaates in den westslawischen Gebieten.

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