Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Greifswald strahlt so eine gewisse Ruhe aus

Bonner Grüne besuchten vor Anhörung zum geplanten Atomzwischenlager das ehemalige AKW Von UWE KALBE

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Chefs der Energiewerke Nord (EWN) haben es nicht leicht, und am Montag sah man ihnen das auch an. Man habe die einstige Greifswalder KKW-Belegschaft von 6000 bereits auf 1700 „herunterfahren“ müssen, so Geschäftsführer Dieter Ritscher. Weitere Entlassungen könnten doch auch die Grünen nicht wollen, hielt er den Kritikern aus der Bundestagsfraktion entgegen, die hier Station machten.

Gefährdet oder nicht? Schleusen sollen bei Verseuchung von Mitarbeitern Alarm geben Foto: ZB

Besondere Brisanz erhält das Thema durch eine Anhörung vor dem Bundesamt für Strahlenschutz über das geplante und umstrittene Zwischenlager Nord auf dem Gelände des AKW Greifswald/Lubmin in der nächsten Woche. Ist dieses akzeptabler als ein sogenannter sicherer Einschluß des AKW selbst - sprich Konservierung im jetzigen Zustand? Ist nun, wie so oft befürchtet und behauptet, die Lagerung radioaktiver Abfalle auch aus den alten Bundesländern vorgesehen oder denkbar? Welcher Kontaminierung sind die Arbeitskräfte beim Abriß ausgesetzt? Was soll das Ganze kosten, und wer bezahlt es?

Vielleicht liegt es am Landstrich: Jedenfall demonstrierten Ritscher und Jürgen Ramthun von der Geschäftsführung die Gelassenheit von Gerechten und widerstanden dem Ansturm der Fragen mit einigen kleineren Blessuren. Freilich gelang es ihnen nicht, die Zweifel ihrer Gegenüber aus der Welt zu schaffen. Diese warfen im Duett mit der Greifswalder Bürgerinitiative zur Förderung alternativer Energiekonzepte den Energiewer-

ken Nord vor, vollendete Tatsachen geschaffen zu haben, die einen sicheren Einschluß inzwischen unmöglich, die Zwischenlagerung mithin unausweichlich machen. Die Energiewerke hätten Studien -umgangen, Halbwahrheiten verkündet, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter gefährdet, meinten die Kritiker. Nicht wahr, so die Kritisierten. Ritscher, dessen Know-how zum Beispiel von der Essener Gesellschaft für Nuklearservice stammt, Wo er für die Vermarktung des Castor-Behälters sorgen konnte (Ritscher ist Mitinhaber des Patents), versicherte: Nein, die EWN würden nie wieder ein Kraftwerk betreuen oder bauen - alle anderen Behauptungen seien falsch. Keine Fremdabfälle aus dem Westen sollten gelagert werden, ein Strahlenpaß jedes Beschäftigten sorge für langfristige Gesundheitskontrolle schon seit DDR-Zeiten, Studien gebe es in Hülle und Fülle. Die Grünen: Was ist mit den drei zu Jahresbeginn nach Ungarn gelieferten Brennelemente für ein KKW, das nicht deutschem Sicherheitsstandard entspricht? Ja, stimmt, so Rit-

scher, das bleibe jedoch die Ausnahme. Die Proteste hätten keine „Kettenreaktion“ zur Folge gehabt. Also kein Thema. Oder die Kosten: Die trägt der Steuerzahler. Also wir, so Ritscher. Ritscher rechnete kaufmännisch vor, die Grünen moralisch nach. Die Kosten zur Entsorgung einer Tonne Brennstoff- 1500 DM, so Ritscher. Mit oder ohne Polizeieinsatz? hakte eine Abgeordnete ein.

Zwischenlager Nord, Versandlager für radioaktive Stoffe oder auch das Naßlager für abgebrannte Brennelemente kein Genehmigungsverfahren, das nicht Widerspruch und Einsprüche zur Folge gehabt hätte. Als Ritscher und Ramthun schilderten, daß regelmäßige Dekontaminationen (Reinigung) der Kreisläufe zu DDR-Zeiten für eine weniger starke Verseuchung als in vergleichbaren westlichen Kraftwerken gesorgt hätten, brach ein Ost-West-Disput herein. Ursula Schönberger, atompolitische Sprecherin der Abgeordneten: In der DDR seien Arbeiter zur Reinigung in die vergifteten Anlagen geschickt worden. „Quatsch!“, so der Kommentar der EWN-Leute.

Man trennte sich freundlich. Wohl, weil beide Seiten wußten: um Greifswald ging es eigentlich nicht. Für den Ausstieg aus der Atomenergie ist es hier schon zu spät. Auch wenn das AKW inzwischen nur noch Stromverbraucher ist.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.