.Kopfhoch und nicht verzager^...
Populär wurde er als der singende und spielende Simplicissimus der Sozialistischen Arbeiterbewegung: Bernhard Strzelewicz. In den Jahren, als die deutschen Arbeiter vielfältige neue Kampfformen entwickelten, die schließlich zum Scheitern des Sozialistengesetzes führten, feierte er im Thüringer Raum als Rezitator, Sänger und Humorist Triumphe. Seine „Bunten Abende“ waren eine Kombination von Couplets, Arbeiterkampfliedern und satirischen Reflexionen auf das Zeitgeschehen.
1857 in Bydgoszcz, damals Westpreußen, geboren, war Strzelewicz nach seiner Lehre als Holzbildhauer auf Wanderschaft gezogen. In Zeitz fand er in einer Pianoforte-Werkstatt Arbeit und auch Bindung zur Sozialdemokratie. Hier hatte er auch Gelegenheit zur Entfaltung seiner Talente: im Männergesangsverein „Morgenrot“ und in dem von
ihm gegründeten Gesangsverein „Lachmuskel“ (1884). Daraus entwickelte er seine beliebten „Bunten Abende“ zur Unterstützung der illegalen Parteiarbeit zur Zeit des Sozialistengesetzes.
Anfang der 90er Jahre gründete er die politisch-satirische „Gesellschaft Vorwärts“, ein Berufstheater als Wanderbühne. 1893 verlagerte Strzelewicz den Sitz seines Ensembles nach Berlin in der Hoffnung, von da aus deutschlandweit wirksam werden zu können. Die preußisch-deutschen Zustände im wilhelminischen Deutschland, der auftrumpfende Militarismus und der deutsche Drang zur Weltmacht boten eine Fülle von Stoff. Anfangs galten die Auftritte der Gruppe vorwiegend den „Großen“ dieser Zeit, so dem „dreihaarigen Ungetüm“ (Bismarck) und „Putt-putt“ (der
preußische Kulturminister von Puttkammer). Im Couplet „Der Zukunftsstaat“ wurde auf die Programmatik der Sozialdemokratie hingewiesen.
Die wachsende Kriegsgefahr und die Vertiefung der sozialen Konflikte im Deutschland des beginnenden 20. Jahrhunderts forderten das Arbeitertheater heraus. Strzelewicz und seine Mitspieler traten nun stärker mit Einaktern und Zeitstücken wie „Der Deserteur“, „Ein Spitzel in der Falle“, „Wie wird es gemacht?“ hervor. Allerdings war Berlin auch der Ort, an dem besonders repressiv gegen kritisches Gedankengut vorgegangen wurde. Auch die „GesellschaftVorwärts“ wurde betroffen: Auftrittsverbote und Verhaftungen. 1911 wählte die Arbeiterbühne daher Dresden zur neuen Wirkungsstätte.
Während des ersten Weltkrieges versuchte der schon
über 50jährige Strzelewicz mit verschiedenen Auftritten und in Schriften seinen Kampf fortzusetzen. In den Nachkriegsjahren fand sein Zeitstück „Der Traum des Generals“ großen Anklang, in dem er den Weg
in eine friedliche Zukunft ohne Finanzkapital beschwor. Ein Polizeibericht an den Oberpräsidenten der Provinz Sachsen erwähnt die Aufführung am 1. Mai 1922 im Hohenzollernpark Magdeburg mit 1500 begeisterten Besuchern.
Einen Höhepunkt seines Schaffens erreichte Strzelewicz 1924 mit der Gründung der „Roten Truppe“ Zu ihr gehörten seine Tochter Gertrud, ehemalige Hofschauspielerin in Dresden, der Schriftsteller und Schauspieler Willy Ost, der Maler Otto Griebel, verantwortlich für die Bühnendekoration, und der Techniker Hans Maut. Zu den Glanzstücken des Repertoires gehörten die entlarvende „Genfer Völkerverbundskomödie“ sowie eine Groteske auf den Dawes-Plan. Frühzeitig warnte die Truppe mit Stücken wie „Die Erhardt-Hitler-Garde“ vor dem Faschismus.
Von der Weltwirtschaftskrise 1929 blieb auch die „Rote Truppe“ nicht verschont. Bernhard Strzelewicz war nun wieder allein. Er mußte sein Dasein als „Kommissionshändler“ fristen. Diese Verkaufstätigkeit soll er zugleich zur Kontaktpflege mit Gesinnungsgenossen genutzt haben. Verbürgt ist, daß er auch Kontakt zu politisch Inhaftierten suchte, ihnen Mut zusprach. So sandte er ihnen „Kartengrüße“, die er als „Onkel Bernhard“ zeichnete. Die in verschlüsselter Sprache abgefaßten Zeilen gingen von Hand zu Hand. Auf einer der Karten standen die Worte: „Kopf hoch und nicht verzagen, der Frühling folgt den Wintertagen.“ Ihn selbst hat die Zuversicht bis an sein Ende nicht verlassen. Er starb 1938.
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