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Gedenkstätte Ravensbrück richtet Blick auf Täter
Dauerausstellung über die KZ-Aufseherinnen wird am Sonntag um 11 Uhr in Fürstenberg eröffnet
»Die Geschichte der Opfer versteht man nicht ohne die Geschichte der Täter«, sagt Sigrid Jacobeit, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Erstmals richtet eine Ausstellung am Ort der Naziverbrechen den Blick auf die KZ-Aufseherinnen.
Wer waren diese Frauen, von denen nur eine Minderheit der Nazipartei NSDAP angehörte? Weshalb beteiligten sich 20- bis 30-Jährige an den Verbrechen der SS und wie wurde dies nach 1945 geahndet?
Teilweise sind diese Fragen noch unbeantwortet. Es war eine schwieriger, akribischer Forschungsweg durch 18 Archive im In- und Ausland. Personalakten, geschweige denn Adressen einstiger Aufseherinnen gab es nicht mehr. Nur noch Lohnlisten der Sparkasse und Berichte der Überlebenden.
Von 2800 inzwischen bekannten Aufseherinnen in allen faschistischen KZ wurde nur eine Personalakte entdeckt. Von 55 Aufseherinnen aus Ravensbrück fanden die Wissenschaftlerinnen die Namen heraus und von fünf die Adressen. Doch alle verweigerten ein Gespräch.
Geäußert hat sich vor ihrem Tod die Oberaufseherin des Sterbelagers Uckermark Ruth Neudeck- hingerichtet 1948 in Hameln. Außerdem die Aufseherin Margarethe Barthel, die in Oberhausen lebt, 1995 in die Gedenkstätte Ravensbrück kam und sich dort zu erkennen gab. Ravensbrück war nicht nur das größte Frauen-KZ, sondern auch die größte Ausbildungsstätte für das weibliche Gefolge der SS. Hier wurden die Leute drei Monaten lang dafür ausgebildet, Häftlingslager abzuriegeln und Außenarbeiten zu überwachen. Nach dem Training in Ravensbrück quälten, drangsalierten und töteten sie in Auschwitz, Sachsenhausen, Maidanek und in den vielen Außenlagern.
Über 3500 Aufseherinnen traten zwischen 1939 und 1945 im KZ Ravensbrück zum Dienst an. 500 gehörten zur Dauerbesatzung. In allen KZ betrug die Zahl des weiblichen Bewachungspersonals gut zehn Prozent.
Seit Jahren berichteten Überlebende in allen Gesprächen mit Sigrid Jacobeit und Simone Ertel über die Grausamkeiten. Die Bedenken waren groß, nur Täterinnen in einer Ausstellung vorzuführen. Doch alle nationalen und internationalen Gremien stimmten dem Vorhaben zu.
Es sind freundlich wirkende Häuser, in denen die Aufseherinnen wohnten. Der Komfort mit Zentralheizung und Warmwasser sagte ihnen sehr zu. Errichtet wurden die Gebäude von Häftlingen aus Sachsenhausen und von einheimischen Firmen. Heute gehören die acht Häuser zur 2002 ins Leben gerufenen Internationalen Jugendherberge und Jugendbegegnungsstätte. Die Gemäuer wurden nahezu im Originalzustand wieder hergerichtet. Eines davon ist nun Museum. Das wohlgefällige Äußere inmitten von Bäumen und Rasen kontrastiert stark mit der gewollten Enge, die sich innen auftut. An frei stehenden, schwarz strukturierten Betonwänden inmitten der kleinen ehemaligen Wohnräume sind 300 Exponate ausgestellt, darunter 19 Faksimiles, Fotos, einige aus Privatbesitz, Zeichnungen sowie Film- und Tonaufnahmen.
Vieles ist erstmals zu sehen, so 1943 vermutlich heimlich gefilmte Häftlinge des KZ-Außenlagers Grüneberg. Im Eingang läuft eine Videoaufzeichnung. Irma Trsak aus Wien (seit 1941 im KZ), Ceija Stojka aus Österreich (seit 1944 im KZ), Anette Pauporte Eckmann aus Polen (seit 1942 im KZ) und Maria Unguari aus Belgien (seit 1944 im KZ, wo sie am 7. Januar 1945 ihren Sohn Franz zur Welt brachte) erzählen von ihren Erfahrungen mit den Peinigerinnen von Ravensbrück.
Alliierte, Richter und Prozessbeobachter erstaunte nach 1945, wie viele Frauen in den SS-Terror involviert waren. Den KZ-Kommandanten und alle Oberaufsehern wurde der Prozess gemacht. Gegen die unteren Dienstgrade ging man kaum vor. Da wundert es wenig, dass die Aufseherinnen Neudeck und Barthel kein Unrechtsbewusstsein zeigen und sich in Schutzbehauptungen flüchten wie »Ich bin unschuldig schuldig geworden« oder »Wenn ich das nicht g...
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