Grenzdurchbruch an Glienicker Brücke

Ein neues Buch dokumentiert Fluchtversuche im Bezirk Potsdam zwischen 1961 und 1989

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.
15 Jahre nach dem Fall der Mauer präsentiert die Landeszentrale für politische Bildung eine Publikation über gelungene und gescheiterte Fluchtversuche aus dem Bezirk Potsdam in den Jahren 1961 bis 1989. Gut zwei Drittel dieser Zeit verbrachte die Autorin Hannelore Strehlow als Aufnahme- und Produktionsleiterin beim Fernsehen der DDR. 1992 wechselte sie in die Potsdamer Außenstelle der Gauck-Behörde. Dort ist sie noch heute tätig. Strehlows Buch trägt den Titel »Der gefährliche Weg in die Freiheit«. Gleich im von Gisela Rüdiger verfassten Vorwort heißt es: »In ihren Gedanken haben viele Menschen versucht, die Grenze zu durchbrechen. Nur wenige haben diesen Schritt dann aber wirklich gewagt. Ihr Weg war besonders schwer und opferreich. Groß muss ihr Freiheitsdrang gewesen sein, der sie selbst den eigenen Tod in Kauf nehmen ließ.« Allein die Bezirksverwaltung Potsdam des Ministeriums für Staatssicherheit verhaftete vom Bau der Mauer bis zum November 1989 über 2000 Bürger wegen versuchter Republikflucht. Gelungen ist die Flucht von drei jungen Männern am 11. März 1988. Zu nachtschlafender Zeit brachen sie mit einem gestohlenen Lkw auf der Glienicker Brücke durch die Absperrungen. Bis zu diesem Zeitpunkt scheiterten an diesem Ort 25 Fluchtversuche. »Nicht umsonst wurde die Brücke als die am besten bewachte Brücke der Welt angesehen«, schreibt Strehlow. Dargestellt sind in dem Buch auch vier Fluchtversuche mit Todesfolge in Hohen Neuendorf (1980), am Grenzübergang Rudower Chaussee (1987), bei Staaken (1966) und von Teltow-Sigridshorst aus (1981). Wer sich die vielen Beispiele anschaut, die Strehlow dokumentiert, wird feststellen, dass es sehr wohl politische Beweggründe für die Flucht in den Westen gab. Aber in nicht wenigen Fällen spielten auch persönliche Probleme, übermäßiger Alkoholgenuss oder eine kriminelle Vergangenheit eine Rolle. Beispielhaft ist da der Fall eines politisch desinteressierten Wasserschutzpolizisten, in der Publikation Walter genannt. Der Mann trank gern einen über den Durst und prügelte sich einmal mit einer Streife, die verhinderte, dass er alkoholisiert mit seinem Pkw fuhr. Ein Vorgesetzter verwarnte ihn und drohte mit Entlassung. Als Walter Ende Oktober 1984 mit einem Dienstboot seinen Einsatzort, den Liegeplatz Gollwitz, verließ und sich auf einem gegenüberliegenden Campingplatz betrank, kam es zum Streit mit einem Kollegen. Jetzt fürchtete Walter um seinen Arbeitsplatz. Mit dieser Situation überfordert, entschloss er sich spontan, abzuhauen. Doch bevor er Westberlin auf dem Wasserweg erreichte, fing man ihn ab. Das Kreisgericht Potsdam verurteilte ihn zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Hannelore Strehlow: »Der gefährliche Weg in die Freiheit. Fluchtversuche aus dem ehemaligen Bezirk Potsdam«, Potsdam 2004, kostenlos zu beziehen über die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, Tel.: (0331) 8663541. Im Internet herunterzuladen unter www.politische-bildung-brandenburg.de. Buchpremiere: 9. November, 18 Uhr, in der Landeszentrale

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