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Wer siegt beim Kassenkampf?

Herbert Mrotzeck

  • Lesedauer: 3 Min.

Landes-Geschäftsführer

der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist der 44jährige seit 1995.

Die DAK vereint 8 Millionen Versicherte.

Foto: privat

? Die einen sehen im Kompromiß um die 3. Stufe der Gesundheitsreform ein finanzielles Heilpflaster - die anderen sprechen eher von einer bitteren Pille, die den Versicherten verabreicht wird. Was sagen Sie?

Daß der Koalitionsbeschluß e.indeutig zu Lasten der Versicherten geht. Und keine Antwort auf die Frage ist, wie wir die Ausgaben-Steigerungen im Gesundheitswesen in den Griff bekommen und Reserven mobilisieren, die das System durchaus hat. Fest steht, daß auch das jetzige Sparpaket nicht ausreichen wird, notwendige Ausgaben mit den Einnahmen zu decken.

? Was wären denn Reserven?

Die Reserven liegen bei der Arzneimittelversorgung und im Krankenhausbereich. Wenn es nicht gelingt, Reserven durch Vernetzung von ambulanter und stationärer Behandlung zu erschließen hier gibt es Gutachten, die eine Größenordnung von bis zu 20 Milliarden ausweisen - dann werden wir weiter an der Beitragsschraube drehen müssen.

? Und wo soll die Pharmaindustrie ihren Beitrag leisten?

Ein sinnvoller Einstieg wäre die angedachte Positivliste. Wenn man sich vorstellt, daß wir 50 000 verschiedene Präparate am Markt haben und etwa ein Fünftel davon fragwürdig sind, dann liegen Reserven auf der Hand.

? Die Kassen zeigen auf die Krankenhäuser, die auf die Pharmaindustrie, die Ärzte meinen, sie verdienen zu wenig. Von den Patienten redet kaum einer und die bezahlen immer mehr ihrer gesundheitlichen Versorgung selbst.

Jeder spricht gerne von Einsparungen, aber am liebsten würde er bei den anderen anfangen. Wir nutzen gemeinsam zu wenig die Möglichkeiten, um das bestehende System zu verändern, statt es zu zerstören. Was gegenwärtig von der Bundesregierung praktiziert wird, ist nicht eine Frage qualitativer Verbesserung der Gesundheitsversorgung, sondern ein tiefer Einschnitt, eine Umverlagerung hin zu den Patienten.

? Tatsache ist offensichtlich, daß es jetzt für die Kassen besonders eng wird...

Die Gefahr ist, daß wir uns in eine weitere Runde der Entsolidarisierung begeben und der Versicherte von einer Kasse zur anderen wandert - und immer wieder feststellen muß, daß er dort zeitverschoben gleiche Bedingungen vorfindet. Insoweit verändert auch die freie Kassenwahl die Situation nicht.

? Aber die Politik ist aus dem Schneider.

Richtig. Die Verantwortung für die Kostenstruktur ist an die Krankenkassen abgegeben worden - ohne daß man ihnen das Instrumentarium in die Hand gab, Veränderungen zu vollziehen. Wir haben weder Einflüsse auf mögliche Sparpotentiale in den Krankenhäusern, noch bei Ärzten, noch bei der Pharmaindustrie. Handeln kann eine Kasse gegenwärtig nur im Rahmen der Leistungseinschränkung oder der Einbeziehung der Versicherten durch höhere Beiträge bzw. auch durch Rückerstattung für die, die nicht krank werden. Aber das ist ja auch schon eine Form der Entsolidarisierung.

Fragen: Gabriele Oertel

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