Die Geschäfte von Flick, Mick & Muck
Von der Kunst des Erbens - das Buch zur aktuellen Debatte
Friedrich Christian Flick, Enkel des Kriegsverbrechers Friedrich Flick, Millionenerbe und Leihgeber einer Sammlung Moderner Kunst an die Staatlichen Museen in Berlin, war einige Monate in aller Munde. Blutgeld, Steuerflucht und Ränkespiel waren die Begriffe der einen, die mit ihm assoziiert wurden, Feingeist und Mäzen die der anderen (darunter des Kanzlers). Als Beitrag zur entzündeten Debatte versteht sich das Buch von Peter Kessen.
Der Autor holt historisch weit aus. Er beschreibt den Aufstieg des Großvaters von »Mick«, des Stahlmagnaten Friedrich Flick. Schlüsselstellen der Industriellenkarriere werden herausgestellt, etwa Flicks Coup, sich 1932 von der Regierung Brüning zum überteuerten Preis die Aktien seines Gelsenberg-Konzerns abkaufen zu lassen, um aus einer selbst gestellten Schuldenfalle herauszukommen. Ebenfalls mit staatlicher Hilfe, der Gönner hieß jetzt Göring, verleibte sich Flick die Julius Petschek-Gruppe ein. Schadenersatzansprüche, die die früheren - jüdischen - Besitzer an Flick nach 1945 stellten, wurden zwischen Bundesregierung und Flick so lange hin und hergeschoben, bis der Bund die Schadenersatzansprüche abgegolten hatte. Bonn fühlte sich für jene verantwortlich, deren Besitz in DDR-Volkseigentum übergegangen war. Zudem erhielt Flick noch 50 Millionen DM für seine wertlosen Aktien der Anhaltinischen Kohlenwerke. Der vielleicht spektakulärste Coup (mit miesem Trick) gelang dem alten Flick 1959. Mit Hilfe eines von den Nazis zur Zerschlagung von Aktiengesellschaften beschlossenen und bis 31. Dezember 1959 in der BRD gültigen Gesetzes trieb Flick die Kleinaktionäre (sie hielten 25 Prozent) aus der Dynamit Nobel AG und machte sich zum Allein-Eigentümer.
Den Aufstieg des alten Flick verbindet Kessen mit dem Lebensweg von Eva Fahidi. Die Ungarin musste - nach Auschwitz und Buchenwald verschleppt - 1944/45 als Zwangsarbeiterin in einer Munitionsfabrik von Dynamit Nobel schuften. Sie schleppte 50 Kilogramm schwere Granaten. Im März 1945 war sie zehn Kilogramm leichter als die Granaten. Unter Otto-Ernst Flick, Sohn von Friedrich, Vater von Friedrich Christian und in NS-Zeit Betriebsleiter in Lauchhammer, schufteten zeitweilig 950 KZ-Häftlinge unter ständiger SS-Aufsicht zwölf Stunden täglich bei einer Tagesverpflegung, die aus zwanzig Gramm Brot, fünf Gramm Fett und einem halben Liter Suppe bestand, berichtet Kessen.
1972 bis 1975 hat »Mick« gemeinsam mit seinem Bruder »Muck« (Gert-Rudolf) die Konzernspitze inne. Bereits damals trat die Jewish Claims Conference mit Forderungen zur Entschädigung der Zwangsarbeiter (es ging vorrangig um ausgefallenes Arbeitsentgelt) an die deutsche Industrie heran. Friedrich Flick, 1972 verstorben, hatte sich beharrlich geweigert, auch nur einen Pfennig zu zahlen. Die Konzernerben hielten es wie der Vorfahr.
Friedrich Christian ist, so zeigt Kessen des weiteren, nicht nur Träger eines Namens und Erbe eines Vermögens. Er hat sich auch als gelehriger Schüler seines Ahnen erwiesen. Des jungen Flicks Sammelfuror sei lediglich eine Wiederholung bekannter Muster. Gewiss seien das Sammeln von und das Spekulieren mit Kunst weniger schädlich als Übernahmeschlachten. Doch mache die selbstgerechte Art, in der die Sammlung angepriesen wird, den ganzen Vorgang unappetitlich. In der Kritik von Kessen steht hier nicht allein Flick, sondern die gesamte »Berliner Republik«. Die »profitierenden Nachkriegsgenerationen« wollen von einer Hypothek nichts wissen. Viele Vermögen, die heutzutage vererbt wurden und werden, stehen in engem Zusammenhang mit bei der Arisierung und in der Kriegswirtschaft gemachten und in...
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