Anfechtung von Zahlungen

Der Insolvenzverwalter kann unter bestimmten Umständen Zahlungen, die durch den Schuldner noch vor seinem Antrag auf Insolvenzeröffnung durchgeführt wurden, anfechten und von den Gläubigern zurückfordern. Für die Insolvenzgläubiger, die durch den Zuwachs in der Insolvenzmasse eine höhere Quote erhalten, ist das sicher erfreulich. Fatal ist es jedoch für den Gläubiger oder den Empfänger einer Schenkung, die das Erhaltene zurückgeben müssen. Worum es geht, soll durch ein fiktives Abendgespräch bei Handwerksmeister Klawuttke (Name frei erfunden) deutlich gemacht werden. Er beklagt sich lebhaft bei seiner Frau: »Schreibt mir doch ein Rechtsanwalt, dass ich die in der vergangenen Woche von der X-GmbH für meine Tischlerarbeiten endlich erhaltenen 15 000 Euro an ihn zurückzahlen soll, weil ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-GmbH eröffnet wurde. Das ist doch eine Unverschämtheit. Schließlich habe ich meine Arbeit geleistet und dafür den verdienten Werklohn noch vor der Eröffnung erhalten. Ich werde das Geld natürlich behalten.« Seine Frau stimmt ihm zu und vertieft gleichzeitig ihr altes Thema: »Wann überschreibst du mir endlich deine Hälfte von unserem Einfamilienhaus, damit es nicht verloren geht, wenn du einmal Insolvenz anmelden musst. Das kann in diesen unsicheren Zeiten doch immer passieren und dann ist alles futsch, was wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet haben!« Muss Klawuttke den erhaltenen Werklohn zurückzahlen und hilft die Schenkung der Haushälfte an seine Ehefrau im Fall eigener Insolvenz? Beide Fragen lassen sich relativ leicht beantworten. Ja, er muss den erhaltenen Werklohn zurückzahlen, wenn er bei dessen Erhalt gewusst hat oder aus den Umständen erkennen konnte, dass die X-GmbH bereits zahlungsunfähig ist. Darauf könnte hindeuten, dass er nun »endlich« sein Geld erhalten hat. Eine Schenkung der Haushälfte an seine Ehefrau ist allerdings nur dann nicht mehr anfechtbar, wenn sie bereits mehr als vier Jahre zurückliegt. Damit erschöpft sich das Anfechtungsrecht aber bei weitem nicht. Es ist kompliziert und soll hier nur in einigen Grundzügen dargestellt werden. Das Anliegen der Anfechtung ist die Rückführung von Werten, die aus dem Vermögen des Schuldners abgeflossen sind und dadurch Forderungen der Insolvenzgläubiger schmälern. Dabei wird unterschieden zwischen a) Zahlungen (der Einfachheit halber wird hier nur von Zahlungen ausgegangen; tatsächlich betrifft die Anfechtung alle Rechtshandlungen, z. B. Eigentumsübertragung bei Grundstücken oder beweglichen Sachen, Unterlassung der Geltendmachung von Mängelansprüchen usw.) vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens; b) Zahlungen, die Gläubiger zu dieser Zeit oder in dieser Form zu Recht erhalten haben oder noch nicht fordern konnten, z. B. weil sie noch nicht fällig waren (sog. kongruente bzw. inkongruente Deckung); c) entgeltliche und unentgeltliche Leistungen (Schenkungen); d) Kenntnis des Zahlungsempfängers über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hinwiesen (z. B. Zahlungseinstellung, Stundungsforderungen, Fruchtlosigkeitserklärung bei Pfändungen u. a.) oder Kenntnis der Absicht des Schuldners, mit der Zahlung Gläubiger zu benachteiligen. e) Im letzten Fall wird vermutet, dass nahe stehende Personen über diese Kenntnisse verfügen. Je nach Vorliegen eines Merkmals, meist aber in Kombination mehrerer Merkmale, gelten für die Anfechtung unterschiedliche Fristen. Verständlich ist, dass Gläubiger Geld zurückgeben müssen, das sie erst nach Antragstellung erhielten, wenn ihnen die Antragstellung bekannt war. (a,d,e) Hat ein Gläubiger von seinem Schuldner innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung Zahlungen erhalten, muss er mit deren Rückforderung durch den Insolvenzverwalter rechnen. Ob er dann allerdings tatsächlich zurück zahlen muss, hängt einmal davon ab, ob er die Zahlung erhalten hatte und Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bzw. der dafür relevanten Umstände besaß. Dann muss er zahlen. Hatte er dagegen noch keinen Anspruch auf die Zahlung, muss er im ersten Monat nach Antragstellung auch ohne Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit zurückzahlen, in den beiden weiteren Monaten aber nur, wenn er diese bzw. die Umstände dafür oder eine Benachteiligungsabsicht der Gläubiger kannte. Daher: Jeder muss sich fragen, warum er eine Zahlung erhält, obwohl er noch gar nicht dran ist. (a,b,d,e) Der Kreis der »nahe stehenden Personen« wurde erheblich erweitert. Dazu zählen neben den Ehepartnern, Kindern und Eltern auch Geschwister und deren Ehepartner sowie Lebensgefährten und bei Gesellschaften die Mitglieder von Organen, persönlich haftende Gesellschafter und Gesellschafter mit mehr als 25 Prozent Beteiligung und auch Personen, die durch vertragliche Vereinbarungen Kenntnisse über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft besitzen, wie z. B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Unternehmensberater, einschließlich von Personen, die zu ihnen in einer engen persönlichen Verbindung stehen, wenn erstere nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Diese Personen haben Zahlungen in den letzten drei Monaten an den Insolvenzverwalter zurückzugeben, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie von der Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnisse hatten oder haben konnten (Umkehr der Beweislast). (e) Auch bei unentgeltlichen Leistungen sind zwei gravierende Änderungen vorgenommen worden. Sie werden nicht mehr beschränkt auf Ehegatten, sondern erfassen Schenkungen an jedermann. Die Anfechtungsfrist wurde von zwei auf vier Jahre verlängert. (c) Liegt dagegen eine vorsätzliche Benachteiligungsabsicht der Gläubiger bei der Zahlung vor, muss sie noch erstattet werden, wenn sie nicht mehr als zehn Jahre zurückliegt. Sie wird wiederum für zwei Jahre bei den nahe stehenden Personen vermutet. (d) Neu ist auch, dass selbst Zahlungen aus Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die im letzten Monat vor Antragstellung erfolgten, zurückzuerstatten sind (sog. Rückschlagsperre). Die Anfechtung kann vom Insolvenzverwalter nur innerhalb von zwei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ...

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