Das Monster von Auschwitz
Neue Dokumente über KZ-Arzt Mengele in Brasilien veröffentlicht
Die brasilianische Tageszeitung »Folha de São Paulo« hat bislang unbekannte Dokumente über das Leben des Nazi-Verbrechers Josef Mengele publiziert.
Bis zu seinem Tod 1979 hat der KZ-Arzt von Auschwitz keine Reue gezeigt, geht aus den am Sonntag und Montag auszugsweise veröffentlichten Aufzeichnungen und Briefen Mengeles hervor. Die 85 Dokumente, aus denen die Zeitung zitierte, hatte die brasilianische Polizei 1985 in São Paulo sichergestellt. Deren Echtheit sei durch Gutachter bestätigt worden, heißt es in der »Folha«. Mengele, der von 1943 bis 1945 die Menschenversuche im Vernichtungslager Auschwitz leitete, verteidigte in den Schriftstücken das südafrikanische Apartheidsregime, ließ sich über die »Andersartigkeit der Rassen und Völker« aus und klagte über seine Einsamkeit. 1974 dachte der KZ-Arzt offenbar über eine Rückkehr nach Europa nach, wie aus einem Briefwechsel mit dem österreichischen Altnazi Wolfgang Gerhard hervorgeht. Gerhard, der bis 1971 in Brasilien lebte, stellte Mengele seine Identität zur Verfügung. »Es ist zu also zu hoffen, dass der Vermischungsprozess wenigstens in Europa auf die einander nahe verwandten Rassen beschränkt bleibt«, schrieb Mengele 1972. »Auf anderen Kontinenten sind die überzeugendsten, natürlichen Experimente der Rassenmischung über die Bühne gegangen, und man kann doch wohl sagen, mit wenig erfreulichen Ergebnissen«. Das Apartheidsystem lobte der KZ-Arzt als »praktische und vernünftige Anwendung anthropologischer Erkenntnisse«. Die »kulturellen Leistungen des jüdischen Volkes sind nicht diskutierbar«, schrieb er anderer Stelle. »Nur kann man sehr leicht feststellen, dass seine überdurchschnittlichen Vertreter immer und ausnahmslos bei Völkern zu Gast oder zu Hause waren, die ihrerseits auf hoher Kulturstufe stehen«, behauptete Mengele mit Verweis auf Moses, Baruch Spinoza, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Heinrich Heine, Karl Marx oder Albert Einstein. »Die Wirtsvolkkomponente spielt also wohl eine entscheidende Rolle. Wie es scheinen mag, war die deutsche am wirkungsvollsten«. In einer Tagebucheintragung von 1976 bedauerte er, dass der Nazi-Architekt und Rüstungsminister Albert Speer in seinem Memoiren Reue gezeigt habe. Mengele sei ein »Monster« gewesen, so Henry Sobel, der Oberrabbiner der jüdischen Gemeinde in São Paulo. Er hoffe, dass die nun bekannt gewordenen Dokumente das Bewusstsein der kommenden Generationen schärfe. David Gal vom jüdischen Internetdienst haGalil aus München zeigte sich über die Dokumente »schockiert«. Mengele sei ein »sehr kalter Mensch« gewesen, der bei den Menschenversuchen in Auschwitz selbst Hand angelegt habe. Der Historiker Stephan Malinowski von der Freien Universität Berlin unterstrich unterdessen die Bedeutung der Schriftstücke. Sie verstärkten den Eindruck, dass eine Minderheit der Nazis an ihrem Gedankengut festgehalten habe. Einige Länder wie Argentinien hätten ein »südamerikanisches Nazi-Paradies« geschaffen, was es NS-Verbrechern ermöglicht habe, ihren Prinzipien treu zu bleiben, zitierte die »Folha« den Berliner Geschichtswissenschaftler. Nach dem Krieg war der 1911 geborene Mengele bei einem Landwirt in Oberbayern untergeschlüpft, 1949 nahm er ein Schiff nach Argentinien. Dort wurde er von Nazis wie dem Piloten Hans Ulrich Rudel in Empfang genommen. 1959 zog er nach Paraguay, ein Jahr darauf nach Brasilien. Im Februar 1979 ertrank er an einem brasilianischen Badestrand...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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